Meine älteste Erinnerung an eine naturmagische Erfahrung reicht zurück in die Kindheit, als ich mit meinem Kettcar (im Alter vermutlich zwischen 5 und 7, also 1973/75) im strömenden Regen über die nasse, glänzende Wiese hinter unserem Wohnblock fuhr. Dieser Starkregen war eine gnadenlos prasselnde Wand, so undurchdringlich, laut und erbarmungslos, dass ich irgendwann fasziniert stehen blieb, das unvermeidbare, ausweglose Nass über mich ergehen ließ und dabei einfach in den Regen hineinschaute, mich immer genauer auf die herabstürzenden Tropfen konzentrierte, immer näher an ihre Flugbahnen heran, bis plötzlich alles in Zeitlupe wie ein dreidimensionaler Teppich aus nassen Fäden wirkte, ein massiver Block aus einer einzigen nassen Masse, mit der ich immer mehr verschmolz, je triefender ich selbst zu diesem nassen Etwas mutierte. Die ganze Welt schien mir jetzt eine einzige gigantische nasse Masse zu sein, alle Körper, alle Objekte verschmolzen zu diesem unendlichen Nass. Es gab keinen Grund mehr, den Regen zu fürchten, da auch ich selber aus diesem Regen bestand. Der Himmel fiel auf die Erde hinab und die Erde erhob sich himmelwärts, bis sich beide berührten und miteinander verschmolzen. Alles war jetzt ein einziger Ozean, eine unendliche Feuchtigkeit, ein nasses Wesen, das mir in seiner Tropfensprache zuraunte:
"So bin ich. Ich bin es. Du bist es."
Mutter Natur war nun eine grenzenlose Stimme, eine Schwingung, die zu mir sprach:
"In mir bist Du aufgehoben, behütet und mit Urvertrauen genährt. Du bist mein Kind und mein eigener Körper. Es gibt nichts, was nicht ich bin. Alles ist dasselbe große Ganze. Alles ist dieses unendliche Nass. Alles ist ein einziges von seiner eigenen Nassheit durchtränktes Wunder; denn es gibt keine Erklärung dafür, warum es da ist."
Als der Regen aufhörte, vergaß das Kind, das ich war, dieses Erlebnis einfach wieder und freute sich über die durchbrechende Sonne. Die Dinge bekamen wieder ihre einzelnen Namen, alles erschien wieder übersichtlich sortiert. Und vor allem trockneten die Klamotten schnell. Es war Hochsommer.
Autor: Tom de Toys, 14. März 2025 - Zum Vorwort der Antibiografie: "DAS BUCH AN SICH" (2021)
Hervorhebungen (fett bzw. kursiv) und Absätze entsprechen dem Wunsch des Autors.
Originalquelle des Buchprojekts: eBook "DAS BUCH AN SICH" / Fotomontage vom Autor angefertigt: