DIE ARROGANZ DER GURUS IM ERLEUCHTUNGSCLUB; oder: WARUM ES KEINE ERLEUCHTETEN PERSONEN GIBT

Von Tom de Toys (poemie.de) am 10.6.2022, erstveröffentlicht auf Amazon.de:

Buchrezension über "Das ist es. Vom Ende der Illusion des Getrenntseins" von Tony Parsons


Auf Seite 197 macht ihm eine Besucherin seines Vortrags das Kompliment, daß er "so einfach, so normal" sei, und empfindet das aufgrund ihres "Widerwillens gegen Gurus" als große Erleichterung. Tony Parsons erklärt in seinem Buch "DAS IST ES" von 2003, warum es "so etwas wie eine erleuchtete Person" nicht gibt (S.17) und überhaupt nicht geben kann und der Verstand sich als "Oberguru" (S.72) aufspielt, um erwachen zu wollen. Aber jegliche Motivation des Egos beruht gemäß Parsons (und anderen Autoren wie z.B. Jed McKenna, Werner Ablass und Pier Zellin) auf dem Missverständnis der Vorstellung, es gäbe JEMANDEN, der ETWAS besitzen könnte, obwohl echtes Erwachen gerade zum gegenteiligen Ergebnis führt: daß da NIEMAND im Zentrum der Wahrnehmung sitzt (sämtliche Neurobiologen jeder ideologischen Ausrichtung suchen also generell umsonst nach dem Ich!), der etwas erkennt, und es darüber hinaus sowieso NICHTS gibt, das erkannt werden müsste. Diese Befreiung von der Identität und damit von der Suche bzw. der Identifizierung mit dem Suchenden (wie z.B. Neo in der Matrix) wird von den üblichen Gurus verhindert, indem sie ihrem Publikum eine Lehre verkaufen, die den Leistungsdruck von "Prozessen und Praktiken" (S.98) erhöht, um dem andächtigen "Erleuchtungsclub" (S.97) beitreten zu dürfen, anstatt sie auf die absolute, unendliche LEERE vorzubereiten (was zunächst vordergründig an buddhistische Vorstellungen erinnern mag):


"Das Individuum - das scheinbare Individuum, der Suchende - muss das Geheimnis selbst wieder enthüllen. Das ist der Grund, warum keine Institution das Geheimnis für sich beanspruchen kann. Das Christentum und der Buddhismus haben mit der ganzen Sache nichts zu tun. Sie sind einfach nur dogmatische religiöse Bewegungen, ohne jede Verbindung zum Erwachen, weil das Erwachen etwas für den einzelnen Suchenden ist." (S.43)


"Und was den Verstand natürlich am meisten anzieht, ist die Vorstellung, etwas zu tun. Wenn dich also diese Art von Leuten auf dieser Zwischenstation mit dieser Art von Energie lehren, etwas zu tun, ist es eine viel attraktivere Botschaft als das hier. Das ist der Grund, warum Leute wie Eckhart Tolle solch ein großes Publikum haben. Seine ursprüngliche Botschaft ist im Grunde sehr einfach, aber es ist dennoch eine Lehre über etwas, das du anscheinend tun kannst." (S.96)


"Viele hoch geehrte Gurus und Lehrer in Gegenwart und Vergangenheit werden von den so genannten Experten und der Allgemeinheit als Übermittler der Tradition des Advaita-Vedanta gesehen, während ihre Lehre in Wirklichkeit dualistisch ist. Diese Art von Widerspruch wurzelt entweder in tiefer Unwissenheit über die Natur der Befreiung, oder er entspringt dem Bedürfnis, einem persönlichen Zweck zu dienen." (S.98/99)


"Sobald sich der Verstand einer Idee wie der spirituellen Liebe bemächtigt, wird er heilig. Es ist nichts falsch an der Lust - die Lust ist etwas Wundervolles, sie ist Leben, Lebendigkeit. Das ist es, was nicht gesehen wird. Alle derartigen Lehren sind dualistisch - sie betreffen eine Person, die sich einem Ideal anpassen soll, und sie verstärken die Trennung." (S. 217)


Der vermeintlich nonduale Antiguru Tony Parsons hält dieser gesamten spirituellen Suche des Ichs eine klare Botschaft entgegen, die für das -im doppelten Sinne- "eingebildete" Ego eine paradoxe Katastrophe darstellt, wenn es mit Imperativen konfrontiert wird wie z.B. "Gebt auf. Gebt einfach auf und ruht in dem, was schon längst der Fall ist." (S.104) Denn sämtliche Ego-Befehle (ein Begriff, der mir in den Büchern der LIGA DER LEEREN begegnet ist) füttern nur das Ego mit dem Gedankenobjekt Erleuchtung anstatt die Illusion seiner selbst zu durchleuchten:


"Es besteht eine tiefe Losgelöstheit und das ist eine Öffnung zur Erleuchtung. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Leute nicht wissen, dass es noch ein letztes Loslassen gibt, und deshalb laufen sie los, um Satsang zu geben." (S.88)


Leider entpuppt sich aber auch Tony Parsons als ein Verführer zu eben jenen Projektionen, die er eigentlich als "Quatsch" (S.40) enttarnt, wenn er sagt:


"Es gibt kein Objekt mit dem Namen Erleuchtung und keine Person, die je erleuchtet worden ist." (S.201)


Denn im selben Atemzug ersetzt er das sabotierte Objekt Erleuchtung gegen die "Essenz" neuer "Konstanten" wie z.B. (BEDINGUNGSLOSE) LIEBE, (ZEITLOSES) WUNDER, DAS ABSOLUTE, DAS EINE, DIE EINHEIT, DIE QUELLE, DAS LICHT und DAS SEHEN - und bietet diese als so genannte "Einladung" (u.a. S.68) des Seins an, loszulassen von der überflüssigen Suche des ohnehin nur "scheinbaren" Suchers, so daß ich am Ende des Buches nur noch ein einziges Bedürfnis verspüre, nämlich ganz gemäß Tonys eigener Empfehlung von der Einladung selbst loszulassen, weil ich dieses neoreligiöse Gesäusel nicht mehr hören kann! Auch Tony Parsons ist in die Falle des heiligen Helfersyndroms getappt, obwohl er absurderweise immer wieder betont, daß er nur "das teuerste Nichts in der ganzen Stadt" (S.42) verkauft. Die Menschen kommen trotzdem zu ihm - und bezahlen für buchstäblich nichts, weil sie alle, der gesamte Erwachensclub mitsamt megaerwachtem Antiguru, am Rum-Ich-en sind (der wundervolle Neologismus "Ich-en" findet sich auf Seite 70). Darum beende ich meine Rezension mit einem Zitat, das die Bedeutung seines Buches auf den Punkt bringt, nicht ohne fairerweise hinzu zu fügen, daß es das korrekteste Buch ist, das ich seit Alan Watts und der Liga der Leeren gelesen habe, und ich nur deshalb so akribisch damit ins Gericht gehe, weil es abgesehen von der (wahrscheinlich unbeabsichtigten) neoreligiösen Tendenz wesentlich mehr Licht in die Sache bringt als die Bücher anderer Niemande, die weit schlimmere und psychisch gefährlichere Hoffnungen verbreiten als der sich selbst sabotierende Tony Parsons, der wohl kaum zu psychotischen Dissoziationen des mit Zen-Gestank aufgeblähten Egos beitragen möchte, sondern zu einer in der realen Existenz angekommenen transpersonalen Ichlosigkeit:


"Und in vielen Fällen besteht der ehrliche Glaube, diese Menschen hätten etwas namens Erleuchtung erlangt und sie hätten das auf irgendeine Weise getan; und da besteht der ehrliche Wunsch, anderen zu helfen, diese Sache namens Erleuchtung zu erlangen. (...) Das hat mit dem Erwachen überhaupt nichts zu tun." (S.56)

 


 

Tony Parsons: "Das ist es. Vom Ende der Illusion des Getrenntseins", Kamphausen Verlag 2004

Originalquelle der Rezension von Tom de Toys @ amazon.de (10.6.2022)

 

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2002 hatte die neue Satsang-Bewegung ihren Zenit bereits überschritten. Aus Satsang wurde allmählich Satire, aus Erleuchtung wurde Erschöpfung: das spirituelle Burn-out machte sich breit. Umso leichter wurde es, sich in einen Guru zu verwandeln und Geld mit dem NICHTS zu verdienen. Die LDL macht ab 2020 nur noch BEACH YOGA und empfängt Dich kostenlos ohne Scheinprobleme!

 

"Während ich mir Mühe gab, dem Blick standzuhalten, und immerzu in seine Pupillen starrte, beschlich mich das Gefühl, ins Leere zu sehen. Ja. Da war überhaupt nichts. Da war keine Persönlichkeit. Es war, als säße da eine Hülle, durch deren Einlässe ich direkt ins Vakuum blickte. Niemand. Kein Anhaltspunkt. Kein Widerstand."  Dietmar Bittrich & Christian Salvesen, DIE ERLEUCHTETEN KOMMEN (2002)

 

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