das leben ohne ich ist tatsächlich fast der-
selbe stress wie mit ich nur dass niemand
mehr da ist um gestresst zu sein sondern
das leben höchstselbst seinen eigenen
stress produziert der in jedem moment
irgendwie ausgelebt und bewältigt wird
das ist das echte leben daran gibt es nichts
zu beschönigen denn der unterschied
zwischen der ichlosigkeit und dem ich
besteht nur in dieser klitzekleinen ver-
schiebung der aufmerksamkeit von den
gedankenstrudeln hin zur gespürten wahr-
nehmung ohne defusionierten beobachter
der glaubt als vermittler zwischen den
welten aus einer transzendenten distanz
heraus sowohl die dinge als auch den denker
überwunden zu haben ohne zu ahnen dass
diese letzte stimme der sprachlosen leere
nichts anderes ist als alle anderen gedachten
dinge nur dass sie sich einbildet von allem
frei zu sein und das ganze durchschaut zu
haben wie ein gott der irgendwo jenseitig thront
und durch sein unendliches panoramafenster
das universum betrachtet ohne involviert zu
sein aber auch gott fragt sich eines tages
woher seine identität eigentlich stammt
oder wer ihn erfand ja doch auch gott der
allmächtige kriegt irgendwann aus purer
langeweile eine saftige identitätskrise
denn von nichts kommt nichts sodass selbst
das nichts von irgendwo her rühren muss
da es sich selber als etwas wahrnehmendes
wahrnimmt jetzt wird es erst spannend denn
kein weg geht mehr an dieser erkenntnis
vorbei dass hinter den schildkröten die auf
weiteren schildkröten stehen keine geheime
schildkrötenfabrik zu entdecken ist sondern
jeder gedanke über das sein vom sein selber
fabriziert wird die gesuchte leere das er-
hoffte nichts die gewünschte unendlichkeit
der verzweifelt ersehnte innere frieden
findet nicht außerhalb der normalen realität
in einer virtuellen abstraktion statt sondern
ist der natürliche zustand der gesamten
existenz in ihrer fähigkeit sich im spiegel-
kabinett eines gehirns als existenz bewusst
zu werden das ist die wahre schönheit der
drogenfreien erleuchtung die niemandem
widerfährt dieses unglaubliche rätsel ohne
lösungswort dieses wunder über das sich
niemand wundern kann dieser wahnsinn
der niemand in den wahnsinn treibt dieser
fantasyfilm der den alltag als science-fiction-
blockbuster ohne weichzeichner verrät
dieser stumme schrei einer hohlen nuss die
vom eichhörnchen wie ein kōan geknackt
wird das hüpfen ist es das bäume klettern
das kopulieren und sich im regen verlieren
die krähen verkünden den namen des schwar-
zen quadrats auf dem hügel er lautet weder
pleroma noch abraxas sondern nur rissige
ölfarbe auf schizophrener grundierung
wenn du den angeblichen fuchs im gelände
antreffen möchtest musst du früh genug
aufstehen und deine eigene wildheit spüren
dann siehst du den leeren tanz der moleküle
im verdunsten des sonnenaufgangs über
dem fischteich wo das flimmern der luft
den fuchs und der fuchs das flimmern trinkt
AUTOR: Tom de Toys, 27.7.2024 © POEMiE™
An den spirituellen Sucher: Die transzendente Illusion des (erleuchteten) Ichs gleicht dem Wunsch, eine in sich ruhende Seerose zu bleiben, wenn der Wellengang auf dem Teich zu gefährlich wird. Aber in echt gibt es keinen Unterschied zwischen dem Teich und der Seerose, sondern das Bewusstsein gleicht der scheinbaren Windböe, die alles bewegt. Aber den Wind "selbst" gibt es gar nicht: das sogenannte Bewusstsein besteht aus denselben leeren Molekülen wie das Wasser, die Wellen und die Seerose. Was wir als Windböe erleben, ist lediglich diese molekulare Schwingung der Dinge, die im Innersten leer sind, so leer, dass es unsinnig wäre, überhaupt von einem Innen zu sprechen. Was bleibt, ist einfach die gesamte absolute Realität aller Schwingungen, die wir mal mehr oder weniger als Wellengang oder ruhende Dinge erleben. Beides sind Eigenschaften unserer eigenen grundlosen Inwesenheit.
AUTOR: Tom de Toys, 25.7.2024 © POEMiE™