"...meist steigert er sich in einen rauschhaften Zustand: Der Bewußtseinspionier möchte mit seiner Kunst jede Art von Religion überwinden..."
F.A.Z. (1997)

"...der mit seiner 'Grundlosen Inwesenheit' das ewige Präsenz zur Kernbotschaft erhebt..."
taz (1999)

 

Von "NULL NERD" zu "NEUROSMOG" - ZWEI PROVOKANTE/PROGRESSIVE GEDICHTBÄNDE

Wie verhalten sich spirituelle Wertfreiheit & politische Bewertung zueinander?

Pier Zellins Rezension, die sich im Interview mit dem zeitgenössischen deutschen Dichter Tom de Toys entwickelt

 

Pi Zett: Hallo Tom! Nachdem ich nun mehrere Jahre im Rahmen unseres URRUHE-Forschungsprojektes hauptsächlich spirituelle Bücher von Gurus, Sekten, Yogalehrern, neuen esoterischen Strömungen, quasireliösen Richtungen und meditierenden Wahrheitssuchern gelesen habe, die unter ihrem Mangel an Oneness ungewollt komödiantisch leiden, war es mir eine willkommene Abwechslung und Erholung von diesem Psychowahnsinn, Deinen neuen politisch angehauchten, zumindest gesellschaftskritischen Gedichtband "NEUROSMOG" durchzulesen, der in gewisser Weise auch diesen Wahnsinn der Seele thematisiert, da Du bereits im Titel andeutest, dass da Smog für das neuronale Netzwerk existiert, der das Gehirn in einer "abgrundtiefen Weltroutine" (so der Untertitel) vergiftet. Und irgendwann tauchte ganz selbstverständlich die überraschende Frage auf: wieso kann einer zwei Bücher im gleichen Zeitraum verfassen, die gegensätzlicher nicht sein könnten, und beide Wahrnehmungen, beide Herangehensweisen an die Realität wirken irgendwie logisch, widersprechen sich scheinbar nicht? Das wollte ich näher ergründen und hatte dann schnell die Idee, Dich zum zweiten Mal zu interviewen anstatt mir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob Deine beiden Bücher paradox oder komplementär oder parallelistisch zu lesen sind. In "NULL NERD" vereinst Du ja sämtliche Beiträge für das ehemalige Magazin Connection Spirit (vom Hrsg. Wolf Sugata Schneider) und Deine Gastbeiträge für uns hier, die Liga der Leeren. Die Texte sind mir daher längst vertraut und auch inhaltlich leicht nachzuvollziehen, da die "natürliche Nondualität" (so der Untertitel), die Du dort sehr konzentriert und radikal transreligiös/transspirituell vertrittst, schon durch unser eigenes LDL-Projekt immer deutlicher als einziger Ausweg aus dem Erleuchtungszirkus erschien, der sich als Sackgasse des Egos erweist. Deine politische Ader war mir bislang nicht bekannt und das machte mich neugierig: was kann für einen wie Tom de Toys überhaupt Politik sein? Eine vielleicht irgendwie ganzheitliche Politik? Eine politische Haltung, die zwar Realität doch beurteilt, aber nicht ideologisch verurteilt?

De Toys: Lieber Pier, danke zunächst einmal für Deine Einladung zum Interview. Gut daß es per Email geführt wird, sonst hätte ich jetzt glatt vergessen, was Du am Anfang gefragt hast. Ich schreibe schon immer Politlyrik (www.poplyrik.de) UND Yogapoesie (www.yogapoesie.de) gleichermaßen, da widerspricht sich tatsächlich nichts. Grund dafür ist wahrscheinlich, daß ich mich eben NICHT als "spirituell" empfinde, da der Begriff Spiritualität traditionell ähnlich dem Religionsbegriff eine urschizoide Spaltung der Wirklichkeit in materielle Sinnlichkeit und metaphysische Sinnebene voraussetzt. In meinem Therapietagebuch "MEHR JETZT" (www.somatoform.de) habe ich dokumentiert, wie ich mich jahrelang mit der Überwindung der Urschizophrenie auseinandergesetzt habe, bis ich an einem Novembertag 2014 (dokumentiert im Null Nerd Essay "NAMENFINDUNG & NAMENFREIHEIT") bemerkte, daß diese Spaltung das eigentliche Problem immer verdeckte: daß es das Ego war, daß diese Spaltung empfand, und daß das Ego genau wie die Spaltung in Wahrheit überhaupt nicht existierte, sondern nur ein abstraktes Produkt meines Sprachzentrums war. Diese Erkenntnis entstand nicht im Kopf, sondern sie wurde bewusst, als mein Kopf an jenem Tag aufgrund der Psychopharmaka (Risperidon & Fluoxetin) stundenlang leer war wie in einer tiefen Meditation, und dieses zwanghafte Ich einfach nicht auftauchte, das sich eigentlich ständig im Kreis drehte und Schildkröten auf Schildkröten produzierte, was zu extremen Verspannungen führt, die sich somatoform chronifizieren. Da war einfach nur pure und tiefenentspannte Wahrnehmung von Anwesenheit und ich spürte meinen Körper so intensiv, als wären die Sinne selbst die Offenbarung von Sinn. Darauf hatte ich jahrelang in gewisser Weise gewartet, da ich mich aufgrund alter Traumata nicht gut fühlen konnte, sondern immer -"typisch Wassermann"- alles vergeistigt erlebte und verarbeitete. Das reine Fühlen war zu sehr mit Schmerzen belastet, die leichter mithilfe der spirituellen Dissoziation zu ertragen waren. Das war eine Bewusstseinstechnik, die ich mir schon als Kind gegen die Schmerzen der Zahnspange angeeignet hatte, aber erst dreißig Jahre später nach dieser Odyssee zu Ärzten und Kliniken allmählich durchschaute. Seitdem diese seltsam still und heimlich verschwundene Ego-Instanz, die jede Erfahrung auf eine angebliche Person im Inneren bezogen hatte, auch ohne Psychopharmaka nicht mehr dazwischenfunkt, spüre ich die Realität wieder so, wie es mir am 5. Mai 1989 zum ersten Mal in der sogenannten Locherfahrung geschehen war. Eigentlich bin ich bereits seit damals in dieser natürlichen Nondualität angekommen, aber das Ego blieb trotzdem so stark im alltäglich dissoziierten Gedankenstrom verankert, daß es nur in besonders ekstatischen Augenblicken (in der Natur und der Liebe) schwieg und dem Spürsinn erlaubte, die Kontrolle zu übernehmen. Kontrolle ist ja das Hauptanliegen des Egos, während das Spüren ein sinnlicher Automatismus ist, der in Kontakt steht mit allem - anstatt sich entfremdet zu fühlen und jede Bewegung durch willentliche Entscheidungen zu kontrollieren. Das 100%ige Spüren der Wirklichkeit geschieht einfach so, permanent, aber die Bewusstheit dafür wird durch das Ego verhindert, das den Mensch von der absoluten Wahrnehmung des Ganzen ablenkt. Von all diesen Ablenkungen handelt nicht nur der Neurosmog-Gedichtband, sondern auch Null Nerd, aber im Null Nerd Buch geht es um die Beschreibung des Zustandes selbst, während im Neurosmog von der psychisch vergifteten Zivilisationsgeschichte die Rede ist. Sogesehen ergänzen sich beide Bücher, beleuchten den Blick auf die Welt einmal als Introspektion eines Nullnerds, der kein fanatischer Nerd mehr ist (und sich selber verwundert fragt: wie lässt sich das Aufgewachtsein beschreiben?) und andererseits als Analyse der Umwelt, die so erlebt wird, als wären die meisten Menschen narkotisierte Zombies, die durch ihre kollektiv programmierten Egos wie ferngesteuert alles in Schutt und Asche legen, ohne zu merken, daß sie ihren eigenen Heimatplanet demolieren.

Pi Zett: Jetzt wird mir allmählich viel klarer, was Dich so unermüdlich kreativ macht, und ich bin ziemlich beeindruckt von deiner Offenheit, über die chemische Seelenmedizin zu erzählen, als sei das selbstverständlich, obwohl es doch eines der größten Tabus in der Spiriszene sein dürfte: Erleuchtung durch Psychopharmaka? Aufwachen durch chemische Induktion? Gut, auch die Spiris haben natürlich traditionell mit LSD, Pilzen und anderen Mitteln versucht, die Erleuchtung oder zumindest einen "erweiterten Bewusstseinszustand" herbei zu zaubern (Aldous Huxley, Timothy Leary und Alan Watts mit seiner "Kosmologie der Freude" seien hier stellvertretend genannt), aber der Trend heutzutage geht dahin, zu sehen, dass sich das Aufwachen nicht künstlich erzwingen lässt. Außerdem denkt man bei Psychopharmaka eher an ganz normale Psychosen als an die Unterstützung eines Prozesses des Aufwachens. Nun stellt sich bei mir allerdings der Verdacht ein, dass es da nicht unbedingt einen Unterschied geben muss, sondern vielleicht das, was die konservative Psychiatrie gerne als Psychose abstempelt, womöglich ein psychisch blockierter Prozess des Erwachens ist, der nicht unbedingt durch normale Gesprächstherapie weiterführt, weil Gespräche das Ego nur nachfüttern anstatt dessen eigene Illusion zu durchschauen. Ich denke da an die Zeilen aus Deinem Gedicht "ZEN" vom 12.12.1991 im Null Nerd: "...muß mich finden hier / im spiegellosen / (...) / werde mich / im winde betten / der fluß ist da / und leer...", die wahrscheinlich schon jeden Psychotherapeuten auf die Palme bringen würden, weil es nach totaler Desorientiertheit klingt, nach pathologischem Identitätsverlust und Depression! Nur ein transpersonaler Psychologe würde darin wohl die Chance erkennen, die Urangst des heimatlosen Egos vor der spiegellosen Leere in ein neuartiges Lebensgefühl des Angekommenseins im Wind zu transformieren, damit das passieren kann, was Du im nächsten Gedicht "MYSTISCHES WAGNIS" vom 14.+16.3.1993 treffend beschreibst: "...im weißen loch / der seele und / als strahlenkörper / eines tages / freigelassen..." Bis 2011, wo ja Neurosmog erst beginnt, galoppierst Du in Null Nerd von einer radikalen transspirituellen Erkenntnis zur nächsten, und dichtest einige Zeilen, die für mich zu den poetischsten Stellen zeitgenössischer Lyrik überhaupt zählen. Als herausragend möchte ich hier nur die folgenden Stellen zitieren: Aus "ÜBERDU" vom 3./4.7.1998: "...die mitte leuchtet überall / wenn wir uns treffen / trifft sich die materie / gegenseitig selbst..." Aus "ZUR OFFENEN MITTE (1.TRANSRELIGIÖSES GEBET FÜR DAS 23. JHD.)" vom 24.-28.12.2004: "DAS LOCH IST MEINE GROßE MITTE / ALS UNENDLICHER URKNALL / (...) / ES VERBINDET MICH MIT DIR / UND TREIBT UNS VON HIER NACH HIER..." Aus "ÜBERGRÖßE" vom 9./10.4.2005: "...du darfst einfach / so erleuchtet sein / durchleuchtet und durchflutet / von der ungeheuren kraft / die zwischen allen welten klafft..." Erst am 18.6.2014 schreibst Du mit dem Gedicht "(FAVO)RITENBOYKOTT (AUFWACHEN IN DER BILDUNGSLÜCKE)" jene Zeilen, in denen ich eine Verbindung zum Blickwinkel in Neurosmog feststellen kann: "...Die Ganze / Maschine Ist Mystisch / Verseucht Das Gesamte / Universum Macht / Munter Mobil Gegen / Die Sehnsucht Den / Grund Seiner Existenz / Zu Verstehen..." Du provozierst hier sozusagen, der Mystik abzuschwören, da sie den freien Blick auf die Realität verstellt, indem sie der Existenz einen Grund anhängen möchte. Am Ende von Neurosmog gibst Du dann quasi die Antwort darauf, wie sich das anfühlt, wenn diese kosmische Sehnsucht verschwindet, die alles verstehen will, aber hier eben verknüpft mit Gesellschaftskritik. Im Gedicht "NEUROLOGISCHE DESILLUSIONIERUNG" vom 31.7.2015 heisst es: "...wenn wörter nur wörter sind / wie rosinen rosinen galaxien galaxien und / kaulquappen kaulquappen gedichte sind nur noch / gedichte das göttliche badet nicht mehr in buchstaben / der sprachschaum besteht nur aus hörbarer luft / alle geister sind angestellte der werbung..." Das Geistige wird da als bloße Meinungsmache enttarnt und führt unweigerlich zur radikalen Selbstsabotage des Schriftstellers an sich im finalen Gedicht "ABGANG" vom 17.8.2015: "...die poesie hat keine macht über die / zwangsneurosen der alltäglichkeit kein gedicht / hat den stillen wahnsinn beendet kein gedicht / konnte das leid verhindern das völlig unnötige / leid auf diesem planet durch glaubenssysteme und / andere illusionen..." Wer Null Nerd nicht kennt, muss an dieser Stelle glauben, es handle sich tatsächlich um Dein allerletztes Gedicht überhaupt, aber in Wahrheit reicht Null Nerd noch zwei Gedichte weiter als das programmatische Ende von Neurosmog! Und das gibt mir das schöne beruhigende Gefühl, dass es egal ist, ob Dichtung den kollektiven Wahnsinn beenden kann oder nicht, weil sie aus reinem Selbstzweck entsteht, um den eigenen Zustand adäquat zu beschreiben. Und das tust Du für meinen Geschmack ziemlich treffsicher auf den Punkt gebracht mit dem sehr kurzen Gedicht "IDENTITAT" vom 20.5.2016: "das universum geht / auf zwei füßen durch / sich selbst hindurch". Unter dieser Prämisse lege ich Null Nerd beiseite und schlage in Neurosmog nochmal das Anfangsgedicht vom 15.3.2011 auf: "PLANET DER ADLIGEN AFFEN (NEUROPOELITISCHER STREICH)". Wenn sich ein Mensch derart aufgelöst einsgeworden mit dem Universum fühlt, dass er seine eigene Bewegung als Schritte des Universums selbst identifizieren kann, hat sich sein Bewusstsein ins Unendliche ausgedehnt und wird dadurch erst wirklich authentisch fähig, eine solch klare, durchdringende, kompromisslose Selbsterkenntnis über die "adligen Affen" zu erlangen, die nicht bei der Analyse Halt macht, sondern auch gleichzeitig in die Vision vorprescht, die simpler nicht sein kann: "...wir sind NICHT ohnmächtig wir sind nur / der eigenen hypnose als gefährlichste natur- / gewalt in unseren gehirnen ausgeliefert wir / sind die die retten könnten was zu retten ist / wir sind diejenigen die sogar schlimmeres / vermeiden und vorbeugen könnten wenn wir / diesen schmerz nicht erst im nachhinein (...) in unser herz hinein (...) lassen sondern JETZT in dem moment / wenn wir die lüge spüren und die lage noch / nicht aussichtslos gesetze ändern weil die / seele vollbewußt die seite wechselt aus dem / totenreich des alltagsfanatismus hin zur / gegenwart der gegenwart..." Hier zeigt sich, dass Du Dein transreligiöses Lebensgefühl ganz nebenbei in die politische Lyrik einfließen lässt, was ja dem ursprünglichen Anspruch an Popliteratur durchaus entspricht, oder nicht?

De Toys: In der Tat! Wenn ich den Neurosmog-Band in der Vermarktung als Poplyrik bezeichne, dann ganz genau deshalb, weil ich mit dieser Gedichtauswahl auf Allen Ginsberg und die Beatliteratur Bezug nehme, die in der Acid-Anthologie von Rolf Dieter Brinkmann mündete. Ginsbergs berühmtes Gedicht "HOWL" wäre nicht so bedeutsam, wenn es nur mit Politfloskeln um sich werfen würde - es ist das Gemisch aus spiritueller Sehnsucht und einer Gesellschaftskritik, die erst in Kombination mit der romantischen Wahrheitssuche so richtig unter die Haut geht! Allein deshalb schon war es ein billiger und beschämender Schildbürgerstreich der Verlage, die Stuckrad-Barre und seine langweiligen Konsorten Mitte der Neunziger mit einer Art "trivial-deskriptivem Realismus" für den naiven Biedermann-Buchkäufer salonfähig machten, der gar nicht wusste, was der Begriff Popliteratur vorher bedeutete. Zwar hat der Germanist Johannes Ullmaier dann 2001 in seinem Kultbuch "VON ACID NACH ADLON UND ZURÜCK" die Geschichte des Pop derart komplex aufgearbeitet und nacherzählt, daß die Adlonisten darin durch die Blume zu massenkompatiblen Popperliteraten degradiert werden, während er SocialBeat und die Anfangszeit der Slampoetry zumindest als alternative Entwicklungsstränge eines subversiven Pops neugierig unter die Lupe nimmt: "Es gibt Gesellschaftskritisches, Ironisches, Existentielles, Komisches, Verspieltes - aber auch, nach fast zehn Jahren Social Beat und Slam, vermehrte Autoreflexion." (Seite 157 im Kapitel Kaltland Beat) Nichtsdestotrotz erkannte auch Ullmaier das Scheitern der neuen subkulturellen Offensive schon damals, wenn er feststellt, daß viele der Undergroundautoren "zu unverbindlich, zu defensiv, zu konventionell und szene-treuherzig" erscheinen und "wenig Programmatisches und Zukunftsweisendes" zu finden sei. Ich gelte ja selbst als Relikt aus dieser Epoche und habe den Sprung in einen normalen Großverlag nicht geschafft. Daher ist es für mich leicht und logisch, noch immer so unangepasst zu schreiben, wie es der Inhalt und das Thema bedarf: ich habe doch garnix zu verlieren! Ich beweise mir mit jedem Gedicht, das ich schreibe, meine Selbstwürde als totgeschwiegener, unbestechlicher Lyriker, den zeitgeistresistenten Respekt vor mir selbst als NOCH IMMER LEBENDEN DICHTER, weil ich so schreibe, wie es für mich einfach sein muss, damit die Sache zum bestmöglichen Ausdruck kommt, anstatt aus ökonomischen Gründen einem stilistischen Trend zu folgen, der meiner Berufung widerspricht. Meine Politlyrik ist zu esoterisch (an den introspektiven Fragen nach letztem Sinn orientiert), meine Yogapoesie zu empathisch (an der Erkennntnis der Illusion von Identität orientiert, was zu neurosoziologischem Interesse an Kommunikationstheorien statt zu Meditationshysterie und Fitnesswahn führt) - der Interessentenkreis für solche Gedichte ist sehr klein; denn sie sind sozusagen für alle unbrauchbar: einerseits zu differenziert, um als anarchistische Slogans für Demonstrationen zu dienen, andererseits zu religionskritisch, um als Meditationsgebete Erleuchtung zu versprechen. Im Grunde weiss ich nicht, wem meine Gedichte überhaupt nützlich sein könnten, wozu sie einem weiterhelfen. Sie sind nur meine eigene Verarbeitung der Realität und keine Lebensratgeber. Bestenfalls findet der Leser Anregungen, die seinen eigenen Aufwachprozess beschleunigen, weil ich nicht müde werde, ins selbe Horn zu blasen wie die Liga der Leeren, indem ich versuche, den "unerreichbaren, schon immer vorhandenen" Zustand des Wachseins durch Worte schmackhaft zu machen. Vielleicht muss einen Lyrik verführen? Auf jeden Fall muss sie beim Leser das seltene Gefühl auslösen, er würde seine ureigensten, intimsten Gedanken durch die Worte eines anderen hören, ganz so, als schriebe der Leser mein Gedicht beim Lesen nochmals selber. Jedenfalls geht es mir auch so, wenn ich Gedichte von anderen lese: entweder sie treffen mich mitten ins Herz, oder sie lassen mich kalt! Alles dazwischen ist Zeitverschwendung, weil seelisch nicht nötig.

Pi Zett: Dieser neurosoziologische Ansatz in Deiner Yogapoesie ist wohl genau der neuralgische Punkt, an dem sich Null Nerd und Neurosmog treffen; denn der klassische Yogi verrenkt seinen Körper ja nicht, um sich der Welt restlos (also ohne innere Ich-Instanz, die sich vom Äußeren abspaltet) hinzugeben, sondern um eine dissoziierte Erleuchtung zu finden, die seinen Körper subtil psychotisch (oder wie Du sagen würdest: "urschizophren") transzendiert, um die "abgrundtiefe Weltroutine" mit mehr Gleichgültigkeit und Gelassenheit zu ertragen. Deine Meditationstexte sind sogesehen totale Yogasabotage! Du stellst keine spirituellen Fragen, sondern Du konfrontierst mit gefundenen Antworten, die alles andere als das narzistisch-nonduale Geschwätz erleuchteter Meister vertreten: gelassen und gleichgültig sind in Deinen Texten nur Egos, die sich in virtuelles Nirvana wegbeamen. Dein letzter Essay in Null Nerd, bevor die Gedichte beginnen, "NONDU-(QU)AL-ITÄT" vom 28.3.2017, endet mit visionären Vorwürfen, die in dieser politischen Härte genauso in Neurosmog auffindbar sind, und mir beweisen, wie verwandt beide Gedichtbände doch letztlich sind und keineswegs fein sauber in Politik und Meditation getrennt: "Die permanente subtile Identitätskrise als zwangsneurotische Gottessuche endet hier und die natürliche Würde des Ganzen ist wieder in der panoramischen Wahrnehmung des Ichillusionsbefreiten hergestellt. Eine Zivilisation aus solchen ideologielosen Menschen ohne den psychischen Filter dieser absurden "letzten Fragen" (und noch absurderen Antworten!), die Psychologen, Philosophen und Kosmologen seit Jahrtausenden unnötigerweise beschäftigen, kann jetzt in mitfühlendem Respekt ohne den Fanatismus religiöser Weltanschauungen oder wissenschaftlicher Weltformeln die Völker rein praktisch-technologisch verbinden. Fast könnte man meinen, die Welt funktioniere im 21.Jahrhundert schon so postmodern "offen", aber die Kooperation zwischen einzelnen Individuen und ganzen Völkern geschieht nicht aus freigeistiger Liebe zum Leben, sondern nur durch eine machtgeile Egoelite, die zu ihrem eigenen Vorteil Ideologien wechselt und die kollektive Hypnose schamlos ausnutzt. Wir leben bereits heute in einem dystopischen Zustand, der gruseliger anmutet als ein apokalyptischer Sciencefictionfilm. Mit Erleuchtung und Aufwachen hat dieses marktwirtschaftlich getarnte totalitäre Theater rein gar nichts zu tun! Aber wir reden nicht mehr darüber - im Gegenteil: wer das so radikal formuliert wie dieser gelesene Text hier, gilt als naiver, romantischer Träumer, als Spinner und Ketzer oder gar als Verschwörungstheoretiker..." Die spirituelle Wertfreiheit steckt bei Dir nicht im konkreten Detail, sondern im fraglosen Angekommensein in der Ganzheit des Seins, das Dich anscheinend dazu befähigt, die Weltlage so radikal zu bewerten, ohne ins Ideologisch-Sektiererische abzudriften. Andererseits zeugt das "MANIFEST DES NEUROATHEISMUS" in Null Nerd davon, dass Du danach trachtest, mit einem Ismus den Weltschmerz wachrütteln zu wollen. So bleibt Dein gesamter Blickwinkel ein interessanter Spagat aus psychologischer Auflösung aller Systeme und politischem Angriff auf jene Systeme, die zur Angst vor dieser Auflösung neigen. Bei einem solchen Spagat würde man fast schon vermuten, dass Du mit einem Bein in der "Geschlossenen" stehst (als Don Quijote gegen Windmühlen!) und mit dem anderen Bein in einer radikal bodenlosen Offenheit (als moderner Zenmeister, wie Du ihn im "MÄRCHEN VOM SELBSTMÖRDER UND DEM ZENMEISTER" beschreibst): eine Zerreissprobe für einen egoverhafteten Mensch, der nur eine einzige eindeutige Richtung einschlagen möchte, um seine Identität zu bewahren. In Deinen Werken erscheint es mir aber im Gegenteil so, dass Deine Kreativität von genau diesem Spagat angetrieben wird, und dem Versuch, immer wieder und wieder das Offene mit dem Geschlossenen zu verbinden. Insofern empfinde ich beide Bücher als anspruchsvoll, anstrengend und wohltuend klärend und klar zugleich, nicht kompliziert, aber extrem komplex: als eine anregende Mischung aus beiden Seiten der "ontologischen" Medaille, die sich auf wundersame Weise "zwischen den Zeilen" als seitenlos spüren, erahnen und erkennen lässt...
 

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2002 hatte die neue Satsang-Bewegung ihren Zenit bereits überschritten. Aus Satsang wurde allmählich Satire, aus Erleuchtung wurde Erschöpfung: das spirituelle Burn-out machte sich breit. Umso leichter wurde es, sich in einen Guru zu verwandeln und Geld mit dem NICHTS zu verdienen. Die LDL macht ab 2020 nur noch BEACH YOGA und empfängt Dich kostenlos ohne Scheinprobleme!

 

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