DAS GEREDE VOM GÖTTLICHEN

(ÜBER GURUS, YOĞURT & YOGA)

 

Eine Stimme in Dir redet unentwegt zu sich selbst. Sie sagt „ich bin du“ und erfindet dadurch Deine von Dir selbst getrennte Identität als Ich. Jetzt denkst Du berechtigterweise: was für ein absurder Blödsinn! Und ich antworte Dir: Genau! Darum geht’s! Diese Stimme in Deinem Kopf ist eine grammatikalische Konstruktion, die einfach alles erfindet, was nicht real fassbar ist – sogar sich selbst! Unfassbar!

 

 

Eigentlich müsste das Ich als ein Weltwunder betrachtet werden und zum virtuellen Kulturerbe zählen, denn allmählich stirbt diese denkerische Leistung der Metareflexion aus und wird irgendwann nur noch aus esoterischen Büchern bekannt sein, in denen von Sinnsuchern berichtet wird, die zu Gurus gehen, um etwas Wahreres zu finden als das, was sich Wirklichkeit nennt. Aber der Sinnsucher ist nur eine Spielart Deines Ichs, so wie der Guru ebenfalls nur die Spielart eines anderen Ichs darstellt. Das eine Ich behauptet „ich bin getrennt vom Ganzen“, während das andere Dir verklickert „ich weiß, wie Du eins wirst“. Und so beginnt die Geschichte aller Religionen, ganz gleich, was der Sucher sucht und was der Guru gurt. In der heutigen Zeit ist vor allem veganes Yoğurt & klimafreundliches Yoga am beliebtesten. Fortgeschrittene kombinieren beides sogar, bis sie am Ziel ihrer Suche ankommen: dem ultimativen „Yoyoyo!“ im Spotlight der spirituellen Community.

 

Wechseln wir einmal die Disziplin, von der Spiritualität zur Psychologie, um dieses Phänomen als psychische, ja psychotische Illusion zu enttarnen: Jeder Ich-Anteil, der sich ins Rampenlicht manövriert, meint, er sei das vollständige Ich und spräche daher für die ganze Person. Auch der Ich-Anteil, der die Figur des leeren Beobachters in der leeren Mitte verkörpert, verpufft, wenn das ganze Identitätskonstrukt implodiert. Zurück bleibt der natürliche Mensch ohne Mitte und ohne Randfiguren: die figurenlose Realpräsenz, deren Bestandteile sich nicht mehr zu Hauptfiguren aufspielen. Das Theater der Persönlichkeitsmasken ist dann endgültig vorüber, das maskenfreie Leben der direkten Beteiligung am Weltganzen beginnt!

 

Wer ichbefreit lebt, dem passiert alles, weil alles miteinander verbunden und verwoben ist und daher Kettenreaktionen passieren, ohne dass „jemand“ jemals ein Steinchen absichtlich ans andere klickerte. Das Krasse an dieser Ichlosigkeit ist die simple Tatsache, dass sich solch ein Mensch nicht mehr als eine selbstische Person empfindet, die jeden Gedanken und jede Erfahrung auf eine innere Kommandozentrale (das „Selbst“) bezieht, die irgendwelche Zustände besitzt und definiert und dann in der Welt ver(t)eidigt. Gerade weil diese Illusion eines Ichs, das seine diversen Zustände haben kann, verpufft, ist da niemand mehr, der sich über Zustände definiert. Darüber hinaus kann eine derartige Unperson weder erleuchtet noch unerleuchtet sein. Das Problem der Erleuchtung haben nur die Ichs von Personen. Deshalb ist es völliger Quatsch, einen Ichlosen als erleuchtet oder erwacht zu betiteln. Niemand da, um das auf sich zu beziehen.

 

Die meisten Gurus sind keine ichlosen Antigurus, sondern vertreten Lehren aus ihren erleuchteten Ichs. Sie lassen einen schmunzeln über ihre feierliche Ernsthaftigkeit, die einem ungewollten Slapstick gleicht. Sie wissen es selber nicht besser, sie können nicht anders. Sie sind ebenso Sklaven des sonstwie erleuchteten Ichs wie ihre Anhänger Sklaven des spirituell suchenden Ichs: (Erleuchtete) Ichs bieten etwas, dem andere (unerleuchtete) Ichs hinterherlaufen. Die einen bieten die Auflösung der Bliss-Sackgasse des mystischen Scheinparadoxons, die anderen suchen die richtige Richtung ins Licht am Ende der Sackgasse. Die Stoßrichtung heisst immer: „Du wirst Dich eins fühlen, sobald Du Dein Ich loslässt!“ Das ist ein ichhaftes Spiel zwischen Ichs mit unterschiedlichen Zuständen, oder psychosynthetisch interpretiert: ein Ich-Anteil, der sich als Figur des Gurus aufspielt, belehrt einen anderen Ich-Anteil, der sich als neurotisch empfindet und danach sehnt, ein „reines Bewusstsein“ zu erlangen. Mit der Ichlosigkeit hat das rein gar nichts zu tun. Sie ist kein Zustand eines Ich-Anteils, sondern nur eine andere Art des Umgangs mit der Realität. Ein ichloser Mensch kann genauso gut sämtliche Gefühle und Gedanken in ihrer ganzen Intensität wahrnehmen, die auch „sein Ich“ vorher hatte, aber jetzt fehlt dieses Ich als innere Person, die immer behauptete, sie würde diese Gefühle und Gedanken als Zustände besitzen, sich sogar darüber definieren.

 

Die Dinge müssen nicht eins sein, sie sind es auch nicht. Sie sind leer, haben keine Substanz, sind weder eins noch zwei, sondern so, wie sie sind, null. Niemand besitzt die Null, sie ist lediglich die existenzielle Unnötigkeit, einer Stimme im Kopf zu glauben, die behauptet, jemand sei von allem getrennt. Das erinnert sehr stark an die Surrogates in dem Science-Fiction-Film mit Bruce Willis. Der ichfixierte Mensch erlebt seine Anwesenheit als ein Kostüm, das von einer Seele gesteuert wird, weiß aber nicht, wo er, der User des Surrogates, sich befindet. Mit etwas Glück löst sich der Spuk irgendwann auf und der scheinbare Roboter bemerkt, dass er gar kein Roboter ist, sondern ein echtes, natürliches Ding in der Welt neben vielen anderen Dingen. Es hat endlich „Dingdong!“ gemacht und das idiotische User/Matrix-Feeling verschwindet für immer. No bliss, just BANG!!! BIG BADA BOOM! (und nochmal Bruce Willis, in: Das fünfte Element).

 

Die eigentliche FREIHEIT besteht nämlich nicht in einem „befreiten Zustand“ eines „befreiten Ichs“, sondern in dem Umstand, das da niemand mehr ist, der von sich meint, alles als Zustände zu besitzen. Da ist niemand mehr – niemand, der sich in Szene setzen könnte, und niemand, der eine eigene Weltanschauung verteidigen müsste. Und doch ist und bleibt da ein Mensch übrig, der den Unterschied erlebt zwischen der Ichlosigkeit, die seine Wahrnehmung prägt, und der ichhaften Art des Umgangs mit der Realität, gegen die der zombiehafte Massenmensch ankämpft. Die von ihren Ichs kontrollierten Robotermenschen versuchen, ihre Umgebung zu INTERPRETIEREN und zu MANIPULIEREN, während die zur Ichlosigkeit erwachten Realitätsmenschen nur noch INTERAGIEREN, indem sie wertfrei KOMMUNIZIEREN, weil sie sich selber als ebenso „absolute“ Realität empfinden wie alles andere, was auf natürliche Weise geschieht.

 

Aus der Ichlosigkeit heraus gibt es niemanden, der einen Zweck des Ganzen außerhalb des Ganzen oder in dessen tiefstem Inneren sucht. Wo niemand ist, gibt es auch nichts (über Erfundenes) zu sagen. Das Gerede lohnt sich nur über das, was wirklich vorhanden ist. Und genau das erklärt sich selbst sowie aus den Kettenreaktionen, die keinen Anfang hatten. Es hat schon immer „klick, klick, klick!“ gemacht, es klickt die ganze Zeit. Das nennt sich LEBEN. Die Kunst der natürlichen Natur. Auch ein Computer mit künstlichem Selbstbewusstsein würde das letztlich bestätigen, indem er von sich sagt: „Ich bin ein Computer!“ Oder glaubst Du, eine KI bekäme irgendwann eine Identitätskrise und benötigt dann psychotherapeutischen Support, um zu „sich selbst“ zu finden? Wo soll sich dieses künstliche Selbst denn verstecken? Im Leerraum zwischen den Dateien? Dann kann ein erleuchteter Computer von sich selber sagen: „Ich bin die unendliche Leere zwischen den Programmen“ und gibt dann als AE („artificial enlightenment“) digitale Yogakurse für depressive Laptops? Ok, Leute, Schluss für heute! Das war Onkel Tomtoms Märchenstunde…

 

 

Autor: Tom de Toys, 5.-8.6.2024, inspiriert durch Marcus Freund

Originalquelle: Digitalassistenz-Wordpress-Blog (Rubrik: Visionen) © POEMiE™

Absätze & Fett-/Kursivhervorhebungen wurden originalgetreu übernommen.

 


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2002 hatte die neue Satsang-Bewegung ihren Zenit bereits überschritten. Aus Satsang wurde allmählich Satire, aus Erleuchtung wurde Erschöpfung: das spirituelle Burn-out machte sich breit. Umso leichter wurde es, sich in einen Guru zu verwandeln und Geld mit dem NICHTS zu verdienen. Die LDL macht ab 2020 nur noch BEACH YOGA und empfängt Dich kostenlos ohne Scheinprobleme!

 

"Während ich mir Mühe gab, dem Blick standzuhalten, und immerzu in seine Pupillen starrte, beschlich mich das Gefühl, ins Leere zu sehen. Ja. Da war überhaupt nichts. Da war keine Persönlichkeit. Es war, als säße da eine Hülle, durch deren Einlässe ich direkt ins Vakuum blickte. Niemand. Kein Anhaltspunkt. Kein Widerstand."  Dietmar Bittrich & Christian Salvesen, DIE ERLEUCHTETEN KOMMEN (2002)

 

Das 9.Buch: "KEIN YOGA FÜR NIEMAND - NO YOGA FOR NOBODY" (2023) über den Deepfake aller spirituellen Methoden!