wenn alle geschichten zuende gelebt sind, bleiben nur noch die freien übrig. die geschichtslosen mit den tausend gesichtern. das ist ein kosmisches rätsel, das jenen angst macht,
die geschichten als lebenssinn brauchen. wir leben seelisch in einem leeren raum ohne wände. ein durchsichtiger tempel ohne dach und boden. wir sind nur jenen vollkommen nahe, die auch in solch
einem offenen kristallozean schweben. jeder mensch ist mit einem teil seiner seele dort angekommen. jeder mensch ist von geburt an dort zuhause. mit diesem heiligen bewusstsein sind sich alle
menschen ungeschminkt nahe, obwohl es die meisten vergessen haben. mit den restlichen anteilen der alltäglichen masken erleben sie ihre zeitraubenden abenteuer, um zu sich selbst zu finden.
geschichten schichten sich auf geschichten zur seelischen müllhalde der menschheit. die ganze zivilisation ist ein einziges verweben und verknoten von geschichten der selbstsuche. wenige nur, die
das unendlich offene finden und auch betreten. manche davon landen in der geschlossenen. manche begehen selbstmord, weil sie sich fremd fühlen in einer welt, die nur kampf und verteidigung kennt.
manche werden künstler, um den schmerz zu verarbeiten. manche gehen in die natur und schweigen für immer. und manche machen einfach weiter, als wäre nichts geschehen. aber ihr seelenleben ist nun
streng geheim. weil niemand ihren schwebezustand versteht. sie sind beschützt durch die offenheit. das geheimnislose ist ihr geheimnis. sie sind keine heiligen. aber sie sind auch keine personen.
sie leben ohne geschichte weiter. ihr wahres gesicht ist die gesichtslosigkeit, mit der sie sich anlächeln und in die arme nehmen. ihre liebe besteht aus freiheit. ihre freiheit ist nichts als
ein zärtliches gefühl für das ganze leben.
Autor: Tom de Toys, 21.10.2016
Erstveröffentlichung hier!
Die Rechtschreibung des Autors folgt eigenen Regeln.