Seit Menschen Gedenken haben die Menschen das verehrt und für göttlich und anbetungswürdig gehalten, was sie nicht verstehen konnten. Da wurde gebetet und es wurden Opfer gebracht, um die zürnenden Götter zu beschwichtigen. Selbst vor Menschenopfern wurde damals nicht halt gemacht, um die Naturgewalten zu besänftigen. Der Kult um den Sonnengott nahm grausige Formen an. Die Naturreligionen waren zwar eher im Einklang mit der Natur, aber überall gab es zürnende, strafende und liebende Götter. In Indien wird den Gottheiten und den Heiligen Kühen gehuldigt, sie werden verehrt und angebetet, bis die Schwarte kracht. Überall wird Gott nach außen projiziert, der Tanz um das goldene Kalb nimmt auch im 21.Jahrhundert kein Ende: „Herr! Lass es Erleuchtung regnen auf mich und meine Nachkommen. Und falls nicht, dann schütze mich und die meinen (in dieser Reihenfolge!) wenigstens vor allem Übel! Amen“
Was finden wir also vor in der Satsang-Szene?
Vorne sitzt einer, der weiß wie es geht. Er/sie hat sich selbst verwirklicht und ist nun gottgleich. Er ist eingetaucht in den nondualen Raum, badet hier immerwährend im goldenen Schaum der Glückseligkeit. Manchmal streckt er vorsichtig einen Zeh oder Fuß aus seinem Glücksbad heraus, bleibt aber ansonsten unberührt vom Leben, das um ihn tobt. Sat-Chit-Ananda ( सच्चिदानन्द ) für alle bitte! Was der da oben hat, will ich auch haben. Bloß raus aus meinem eigenen kleinen bescheidenen (– ich bin nicht sicher, ob Sensibelchen damit umgehen können, wenn ich stattdessen „beschissenen“ schreibe –) Leben, raus aus der Bedeutungslosigkeit und dem Frust des eigenen Erlebens. Nur, um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich schreibe hier aus meiner ganz persönlichen Erfahrung, ich war kein stiller Beobachter am Spielfeldrand! Ich bin für kurze Zeit gaaanz tief eingetaucht in das Guru-Spiel! Mein Lebensgefühl in diesem schwerkranken Körper war so auf dem Nullpunkt, da erschien mir Erleuchtung als das letzte Wunderheilmittel. Irgendwie schien es mir logisch, dass, wenn sich mein Ego auflöst, die Verknüpfung mit der persönlichen Geschichte entfällt. Ich hätte auch den Jakobsweg nach Lourdes laufen können in der Hoffnung auf Wunderheilung. Der ist allerdings mit wackeligen MS-Beinen und Rollator schwierig zu bewältigen. In der Szene wurde von Übertragungslinien gefaselt, wo ES von dem einen Meister zum anderen übergeht (was auch immer ES sein sollte). Andernorts gab und gibt es Übungen, die zum Erwachen führen sollten. An diesen Plätzen gibt es dann immer nur die volle Dröhnung, man kauft das ganze Paket an Brimborium, weil es sonst angeblich nicht wirkt. Die Arbeit mit dem Enneagram sei hier an erster Stelle genannt. Ohne Meditation geht es anscheinend bei keinem Meister. So ein Mist, ich bemerke, ich falle durch das Raster! Hilfe, ich habe meinen Lebtag noch nie meditiert – und da meditieren sich Leute wie Suzanne Segal 12 Stunden täglich zur Erleuchtung. Hätte ich damals von Andrew Cohen gewusst und seinem miltärischen Basislager, wer weiß, ob es mich nicht in Versuchung geführt hätte. Aber Dauermeditation plus tausende Liegestütze und Niederwerfungen täglich wären mir zu viel gewesen. Die Sangha um Herrn Cohen schaukelte sich gegenseitig hoch mit ihren Leistungen, um Anerkennung (von Papi) zu bekommen. Überall in der Szene scheint das gleiche unreflektierte Eltern-Kind-Spiel zu laufen. Wenn ich (Kind) brav bin, gibst du mir dann Aufmerksamkeit, Zuspruch, Anerkennung, Liebe? Als wir klein waren, gab es Schelte, was hinter die Ohren oder nen klebrigen Lolli. Irina Tweedie schildert in ihrer Autobiografie „Der Weg durchs Feuer, Tagebuch einer spirituellen Schulung durch einen Sufi-Meister“ einen Weg durchs Tal der Tränen. Sie fühlte sich nach Indien gezogen zu ihrem Meister, überließ ihm ihr gesamtes Vermögen, ließ sich demütigen, missachten, benutzen für billigste Arbeiten, um... ja, was eigentlich: heilig zu werden? Erleuchtet? Whatever... Am Ende stand eine Vorstellung, wie man zu sein hatte, um anerkannt und geliebt zu werden. Sie bekam am Ende von ihrem Meister den Lehrauftrag, der sie zurück in ihre englische Heimat führte, nun allerdings arm wie eine Kirchenmaus. Was sie dort gelehrt hat, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass Annette Kaiser Schülerin bei ihr war.
Doch nun zur allgemeinen Erbauung mein Erlebnisbericht
Nachdem ich dem Erwachenskongress von Katharina und Thomas Nestelberger eher unwillig Aufmerksamkeit gezollt hatte, fieberte ich dem nächsten Online-Kongress von Ludmilla und Roland schon regelrecht entgegen. Jeder Lehrer/Guru wurde mit einer Freundin begutachtet, für gut befunden oder total verworfen. Wobei wir uns nicht immer einig waren und auch die eigene Einschätzung durchaus variierte. Irgendwann war der Impuls da, zu Samarpan zu fahren. Zuvor hatte ich ihn um einen spirituellen Namen gebeten. Ich buchte ein Retreat in der Schweiz, 1000 km von meinem Heimatort entfernt. So schlug ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich hatte meinen bereits gebuchten Schweizurlaub dafür storniert und dachte ganz klar, dass mir immer noch die Berge blieben, falls es mir zu blöde würde. Ich reiste also einen Tag vorher an, um mich von der Zugfahrt zu erholen und entspannt am ersten Abend dabei sein zu können. So blieb mir der Trubel auf dem Parkplatz unterhalb meines Hotelzimmers auch nicht verborgen. Eine kleine Karawane von Kleintransportern hielt an, die Fahrzeuge, die bis unter das Dach vollgestopft waren, wurden ausgeladen. Mich beschlich ein mulmiges Gefühl. Wer Samarpan von „Jetzt-TV“ kennt, sieht ja nur ihn in seinem Sessel sitzend und den Sessel ihm gegenüber. Irgendwann schlich ich am nächsten Morgen vorsichtig ins „Allerheiligste“, um einen Blick zu erhaschen. Ich hoffte jemanden zu finden, der mir ein paar Fragen beantwortete. „Ja“, ich könne jederzeit zwischendrin hinausgehen, das wäre kein Problem. Und „Lass deine Schuhe und deinen Verstand draußen vor der Tür“ war die nächste Info. Dazu erfolgte die Einladung, jederzeit dort im Raum in Stille sitzen zu dürfen, gerne auch regelmäßig schon eine Stunde vor Satsang-Beginn. So würden es die meisten Teilnehmer halten. Ich will es gleich vorweg nehmen: Was anfangs zu einer fast geschlossenen Teilnahme führte, bröselte von Satsang zu Satsang mehr. Ich fühlte mich bereits am dritten Tag an einen Hotelpool erinnert, wo morgens die Handtücher zum Reservieren der Liegen ausgebreitet werden. Schwenk, erster Abend: Total aufgeregt sitze ich am Boden auf meinem Meditationssitz und warte auf das, was da kommen wird. Meditation und Stille Fehlanzeige, zumindest bei mir. Da! Der Meister erscheint, bleibt vorne stehen in „Namasté“-Haltung und schaut jedem der Teilnehmer tief in die Augen. ER hat MIR in die Augen geschaut! Wahnsinn! (dachte Egolein). Das Ritual nahm seinen Lauf. Es wurde eine Rede von OSHO eingespielt und hervorragend simultan übersetzt. Danach bestand das Angebot, sich dem Meister zu nähern, Fragen zu stellen oder irgend etwas mitzuteilen. Eine Stuhlreihe am Rand war als Wartezone dafür vorgesehen. Da am ersten Abend niemand vor Ort Lust verspürte, war der erste Teilnehmer eine Online-Einspielung (Kosten für die Teilnahme von zu Hause aus: 320 Euro! Der Betrag könnte geringfügig anders gewesen sein, so genau erinnere ich das nicht). Da ich nur mühsam den Impuls, direkt aufzustehen und zu gehen, unterdrücken konnte, folgt hier eine kurze Schilderung des Anliegens.
Slapstick in zwei Akten
Er fand seine Fortsetzung am nächsten Morgen. Teilnehmer: „Ich habe mir eine Ratte gekauft und nun ist die Ratte weg...“ Samarpan ging nicht näher darauf ein. Verteilte nur ein paar verbale Streicheleinheiten. Nächster Morgen: „Ich wollte doch nur sagen, dass der Käfig so scheiße war! Deshalb ist die Ratte weggelaufen. Jetzt habe ich einen neuen Käfig. Nun ist alles gut mit der Ratte. Aber jetzt ist mein Kühlschrank kaputt! Und mir fehlt das Geld für einen neuen!“ Samarpan fand kurz verständnisvolle Worte und riet, nach einem gebrauchten Ausschau zu halten. Ich will mit dem, was es da in mir dachte, nicht hinterm Berg halten: „Wenn du dein Leben selber auf die Reihe kriegen würdest, hättest du jetzt Geld für einen Kühlschrank, sogar für einen neuen. Aber du brauchst ja vorher Absolution vom Chef/Mama/Papa/Gott persönlich!“ Satsang blieb für mich eine ambivalente Angelegenheit. Auch ich stand in der Schlange an, um mich am Abend segnen zu lassen. Und ich wäre vor Rührung fast tot umgefallen. Aber der Skeptiker schlief nicht. Eine vielleicht 68-jährige Teilnehmerin, die alter Hase bei Sammy war, nutzte jede Gelegenheit, um ihr aufregendes Erleben während dieser Tage zu „sharen“. Sie saß dann immer mit schief geneigtem Köpfchen, als wolle sie sagen: „Hast du mich jetzt auch lieb, Mama? Gelle, das war toll, was ich da herausgefunden habe?“ Konkret war der Dame beim einsamen Waldspaziergang aufgefallen, dass da Gedanken in ihr erscheinen. Das hat eine totale Verwunderung in ihr ausgelöst. Eine andere zauberhafte junge Dame, die es zum Mundschenk neben Samarpans Platz geschafft hatte, sharte gegen Ende des Retreats, dass sie sich wohl selbst belogen hätte. Ihre tränenreiche Erkenntnis lautete, dass sie sich in Dauermeditation befunden bzw. sportliche Hobbies gepflegt hätte, die man nur ganz alleine ausführen könne, weil sie vor ihrer Beziehungsunfähigkeit wegliefe. Da war Samarpans Liebe Balsam für das wunde Herz. Und auch mein Herz flog ihr in diesem Augenblick zu. Die Meditationsfassade hatte abschreckend gewirkt. Allerdings wurde Samarpan auch nicht müde, Egos zu streicheln. Sätze wie „Ich kenne dich jetzt schon so viele Jahre! Schau doch mal, wie positiv du dich in der Zeit entwickelt hast!“ fielen des Öfteren. DAS Highlight war eine „Sanyassin“ aus seinem persönlichen Mitarbeiterstab, die mit ihm reiste. SIE setzte sich einen Abend zu ihm und ließ nur einen provozierenden Kommentar ab und ging dann wieder. Die Spannung lag spürbar in der Luft. Das Kind versuchte Mama/Papa zu provozieren. Am nächsten Tag das gleiche Spiel, es war nur eine Frage der Zeit, bis es zur Explosion kam. Und die kam am nächsten Abend. SIE war nicht anwesend, was allein schon ein Unding war. Irgendwann platzte sie herein und fand auch recht bald ihren Weg auf den „heißen Stuhl“. Diesmal durfte all das fließen, was da so sorgsam versteckt worden war. Sie hatte das Schicksal herausgefordert, war tagsüber in Stoffschuhen und ohne die geringste Ausrüstung ins Hochgebirge aufgebrochen, war ohne Halt zu machen immer höher in die Gletscherwelt gelaufen, um dann beim Innehalten zu bemerken, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie jemals heil wieder runterkommen sollte. Nun, es war gelungen. Nachdem sie das überstanden hatte, konnte sie auch vor ihren Meister treten und ihren Zweifel vorbringen. Sie hätte jetzt seit so vielen Jahren Selbstbefragung praktiziert, wie von Ramana empfohlen, und jetzt hätte sie „kein Bock“ mehr drauf. Weil ES nicht funktioniert. Was für ein Eingeständnis! Chapeau! Sammys Antwort: „Look, what works.“ Probier halt was anderes. Das steht im krassen Widerspruch zu dem, was in einem der Bücher von Rama Stille dazu gesagt wird. Rama zitiert seinen Meister Samarpan mit dem Satz: „Ich bin nicht einmal sicher, ob es in deiner Macht liegt, die Aufmerksamkeit auf dein Selbst zu richten.“ Na, das ist doch mal ne Aussage! Wer könnte das auch tun? Egolein? Das hat kein Interesse daran, sich abzuschaffen. Ich habe sehr auf meine Bedürfnisse geachtet während des Retreats. Nachdem „der Lack ab war“, wie man so sagt, bin ich spät gekommen, früher gegangen oder gar nicht erschienen. Ich hab mir ein Picknick packen dürfen im Hotel und bin früh morgens ab in die geliebten Berge. Die Zeiten, wo ich aufessen musste, was ich mir aufgefüllt hatte, sind endgültig vorbei. Es war lehrreich hier bei Samarpan, es ist niemals etwas umsonst auf unserem Weg. Das war mir schon längere Zeit bewusst.
Silvester-Sangha
So war es nur eine Frage der Zeit, ob ein anderer Meister mir etwas zu geben hätte. Spannenderweise war es genau der Guru, gegen den ich zu Beginn die größte Abneigung empfunden hatte. Praktischerweise liegt Gut Saunstorf, Ort der Stille, nur 40 Autominuten entfernt von mir. Hier kann man dem monatlichen Darshan beiwohnen, den OM C. Parkin hier abhält. Das tat ich dann auch. Es begann mit Darshan und einem Heilkreis, der am nächsten Tag stattfand. Dieses Ankommen auf dem Gut hatte nun eine ganz andere Qualität als im Hotel im Kiental, wo Samarpan selber Gast war. Hier atmet ALLES das SEIN des Meisters, hier ist jedes Detail handverlesen vom Meister persönlich. Wunderschön, wie die Zimmer gestaltet sind. Polyesterdecken Fehlanzeige. Auf dem Bett liegt etwas weiches Echtes aus Naturhaar. Sündhaft teuer, so wie die ganze Ausstattung auf Gut Saunstorf. Es ist ein Ort zum Wohlfühlen. Rein äußerlich betrachtet jedenfalls! Von den Menschen geht teilweise etwas befremdlich Heiliges aus. Mein erster Darshan löste heftiges Grummeln in der Magengegend aus. Ich saß dort in der Heiligen Vorhalle wie bestellt und nicht abgeholt und bestaunte das Geschehen. Edel gekleidete Menschen trafen ein, begrüßten einander mit langen Umarmungen und plauderten auf das innigste miteinander. Gerne hätte ich dazu gehört. Aber Monika ist öfters mal ein Fremdkörper in derartigen Kreisen. Ein nur zu vertrautes Gefühl stellte sich ein. Pokerface aufsetzen schien die einzige Möglichkeit, die mir sinnvoll erschien – wie immer! Durchhalten! Irgendwann tauchten Türsteherinnen an der noch fest verschlossenen Türe zum Darshan-Raum auf. Ich wagte es, eine der Damen anzusprechen, und bat um einen Platz nahe am Ausgang, um nicht zu stören, falls ich wegen gewisser menschlicher Bedürfnisse zwischendrin mal vor die Türe müßte. „Nein, das geht nicht!“ wurde mir beschieden (also das Rausgehen), weil „das würde die Energien im Raum stören, wenn da Bewegung entstünde“. Mein Einwand, dass ich dann wieder gehen würde, weil Menschen mit MS meistens Störungen der Blase haben, erweichte das Herz der Dame. Ich bekam also den gewünschten Platz ganz hinten am Rand zugewiesen und erhielt die Zusage, dass es ok wäre, zwischendrin zu gehen, falls anders nicht möglich. Irgendwie hatte ich an diesem Ort manchmal das Gefühl, dass hier einsame alte Männer (hier sind die Frauen mal nicht in der absoluten Überzahl!) frustriert zusammen vor dem erleuchteten Kamin sitzen und innerlich darüber wüten, dass von OMs Erleuchtung nichts auf sie abgefärbt hat. Die Spannung war teils fast mit den Händen greifbar. Trotzdem war es ein unglaubliches Erlebnis! Das Kind in mir wollte einen Heiligen und bekam ihn natürlich auch. Am nächsten Tag im Heilkreis geschahen allerdings Dinge, die für mich wirklich wichtig und heilig, also heilend, waren. Ich möchte keinen Augenblick missen, denn das, was geschah, war essenziell für das Erkennen, dass ALLES was geschieht und jemals geschah in DEM EINEN erscheint. Gut und Böse vereint in dem Spiel, das man Leela nennt. Jetzt hing ich am Haken, fuhr zu einem zweiten Darshan, las „seine“ Bücher und buchte, wie hätte es anders sein können, das Silvester-Retreat. Vieles, was in „Intelligenz des Erwachens“ steht, kann ich komplett unterstreichen. Die drei Gehirne, die nicht in Einklang zusammen arbeiten, weil das „Innere Kind“ an verschiedensten Stellen nicht erwachsen geworden ist, bekommt ein ungeteiltes JA von mir. Allerdings beantwortete der Meister die Frage danach, woran man einen guten Meister erkennt, in etwa folgendermaßen: „Ein guter Meister schart keine Anhänger um sich. Falls welche erscheinen ist er bemüht, sie schnellst möglich wieder von sich zu weisen.“ Das steht im absoluten Widerspruch zur Elite-Sangha von Gut Saunstorf. Um dort erlauchtes Mitglied zu werden, sind drei Kurse zum Inneren Kind und zwei zum Enneagram vorgeschrieben, für gutes Geld vor Ort zu buchen. Eine Ausbildung als Therapeutin, die selber Arbeit mit dem Inneren Kind anbietet, gilt dort nicht. Allerdings gehören bei OM großartige Therapeuten mit zum Team. Körpertherapien wie Somatic Expieriencing nach Peter A. Levine oder Tibetean Pulsing können genauso gebucht werden wie die Arbeit mit dem Inneren Kind oder Massagen und vieles mehr. Der Weg ist wirklich nicht schlecht. Nur hängt über allem die Erwartung, dass „Erwachen“ geschehen möge als Lohn der Mühe.
Karmayoga und Kranksein
Da „Trockenbaden“ nicht funktioniert (das Lesen von Büchern bleibt eine oberflächliche Betrachtung), fand also irgendwann nach Weihnachten wieder das Kofferpacken statt, Zähne klappernd und schlotternd vor Angst, weil auf Saunstorf „Karmayoga“ zum festen Programm gehört. In der Lobby des Hauses bildeten sich zwei andächtige Warteschlangen. Die Organisation ist perfekt wie alles dort! Zuerst einchecken, das Hotelzimmer bezahlen und in Besitz nehmen. Anschließend seine Karmayoga-Zuordnung erfragen und sich ein entsprechend farbiges Bändsel um das Handgelenk binden lassen, um seine Gruppe finden zu können. Karmayoga bedeutet „Dienst für die Gemeinschaft“. Vom WC-Putzen, Treppenhäuser-Reinigen, Tischdienst, Gemüseschnippeln, Kochen bis hin zu Hotelzimmer-Putzen ist alles dabei. Mein Einwand, dass mein MS-beeinträchtigter Körper einige Schwierigkeiten hätte, sich hier einzufügen, wurde unfreundlich abgewiesen. Hier gelten die Gesetze von Saunstorf, der Einzelne zählt hier nicht in seiner Bedürftigkeit. Doch auch hier hatte das Leben die Weichen bereits perfekt für mich gestellt. Den Widerstand hätte ich mir ersparen können (wenn ich denn gekonnt hätte). Ich bekam die Aufgabe mit wenigen anderen, den Satsang-Raum vorzubereiten, die äußeren Bedingungen zu gestalten, den Türdienst zu übernehmen, Menschen auf einen Platz zu Füßen des Meisters einzuladen und anderes mehr. Das zog mir nun vollends den Boden unter den Füßen weg. Meine „Kolleginnen“ waren ja altgediente Sangha-Mitglieder, die diesen Job schon seit Jahren machten. Die Kleine in mir, die niemals gut genug war, war nur noch verzweifelt. Wir, das Team, trafen uns am Nachmittag, um uns zu organisieren, zu fünft, die sechste war gerade unabkömmlich. Ich habe mir dort eine gehörige Abreibung abgeholt von meinen freundlichen Spiegeln. Mir war schmerzlich bewusst, dass ich das Spiel meiner Mutter wiederholte, die ihr Kranksein auch lebenslang als Ausrede benutzt hatte, um sich ihren Ängsten nicht stellen zu müssen. Das Zugeständnis, das ich erreichen konnte, war, dass ich zu den beiden Teams, die sich umschichtig den Dienst teilten, hinzukommen durfte, wenn es Body mit seinem kaputten Nervensystem erlaubte. Und hier wurde es wieder spannend! Das eine Team urteilte über das andere. Es menschelte endlich wieder. Ich ließ mich also ein, bat um Aufgaben und führte sie aus. Aber Achtung: das Berühren des Mikrofons wäre einem Sakrileg gleichgekommen! Des Weiteren musste peinlich darauf geachtet werden, dass das Sitzpolster im Sessel des Meisters gut aufgeschüttelt wurde. Beim ersten Mal durfte ich mit, um das Wasser für den Meister zu holen und es anschließend an seinem Platz zu positionieren. Am zweiten Tag im anderen Team waren die beiden so mit sich beschäftigt, dass ich diesen Job mit ihrem Ok alleine bewältigen durfte. Als dann am Abend die Hand des Meisters zum Wasserglas griff, um es zum Mund zu führen, bin ich vor Ergriffenheit fast ohnmächtig geworden. Ich schwebte nur noch durch die heiligen Räume. Ich, ausgerechnet ich, hatte ihm, Gott/Guru das Wasser reichen dürfen. Seine Heiligkeit wurde anderntags allerdings entthront, als ich zu meinem Erstaunen eher widerwillig nach meinem Kaffee im Speiseraum noch den angebotenen Kuchen akzeptierte. So hielt ich mich viel länger alleine dort unten auf als geplant. Als ich IHN beim Verlassen des Raums im Flur beinahe über den Haufen gerannt hätte, war all der Zauber dahin. Der Meister befand sich auf dem Weg zu seinem täglichen Fitnesstraining im total ausgebeulten grauen Jogginganzug. Er war wieder Mensch für mich. Danach konnte ich auch völlig unverkrampft um eine persönliche Widmung in meinem Buch von ihm bitten. Er fragt bei den Widmungen dann nach einem Thema, das im jeweiligen Moment aufsteigt, und schreibt die passende Antwort, die u.U. als Koan erscheint oder zur Meditation genutzt werden kann, hinein. Das absolut Göttliche daran ist ein Schreibfehler darin! Der ist mir besonders heilig! Gott hat Rechtschreibprobleme! Ich bin OM noch einmal nahe gekommen, als Silvester um Mitternacht das hauseigene Feuerwerk gezündet wurde. Wir alle standen draußen hinter dem Haus auf der Terrasse mit einem Glas Sekt in der Hand und begrüßten 2017. Während rundum geplaudert, gelacht, umarmt und geherzt wurde, stand OM eher unbeteiligt dabei. Er wirkte auf mich eher nüchtern, sachlich. Dass das Leben gelebt und genossen werden darf, scheint für ihn nicht zu gelten.
Göttliche Komödie mit goldener Karotte
Im Darshan ist OM das genaue Gegenteil von Samarpan: Wo Samarpan die ständig verzeihende, alles verstehende, liebende und nährende Mutter repräsentiert, erscheint OM als der Allwissende, der den Weg kennt und auch genau vorschreibt, wie ein anderer ihn zu gehen hat. Es wird viel geweint bei OM, sein Schwert lässt manchen Kopf rollen. Manche selbstverliebte Fassade stürzt ein. Diese Erkenntnisprozesse sind heilsam, das steht außer Frage. Aber alles „Tu dies“ oder „Unterlasse jenes“ erinnert unangenehm an den Vater der Kindheit. Es führt immer wieder von mir weg, so wie ich im Moment bin. Anstatt das Vorhandene in der Tiefe zu ergründen, wird dort schnell mal ein Schritt vor dem nächsten probiert. Allerdings gibt es hier eher ein Erkunden dessen, was da ist, als bei Samarpan. Als grotesk empfand ich es, als ein Bandmitglied (in Saunstorf gibt es ein festes Musikerteam) nach seinem Wechsel des Meisters befragt wurde. „Peinliche Befragung“ hieß das im Mittelalter. Es ging um das absolute Gehorsam dem Meister gegenüber, um absolute Loyalität, die OM so nicht gegeben sah. Die Tränen des Bandmitglieds rührten mein Herz, zumal es am anderen Abend eine Fortsetzung dieser Aktion gab. Mein Fazit aus beiden Retreats ist, dass überall immer wieder nur mit Wasser gekocht wird. Es menschelt bei beiden deutlich. Zumindest in der Sangha spielt sich das übliche zwischenmenschliche Spiel genau wie am Arbeitsplatz oder in der Familie ab. Bei beiden vermisse ich die klare Aussage, dass sie NICHTS zu geben haben, dass es NICHTS zu lehren gibt. Dass das Streben nach Erleuchtung oder auch nur Erwachen dem Ganzen diametral im Wege steht. Wobei grotesker Weise ja nicht einmal klar ist, was der Erleuchtung Suchende wirklich sucht. Er sieht ja nur seine Projektion. Er rennt der goldenen Erleuchtungskarotte hinterher wie ein blinder alter Gaul. Bei Samarpan wie auch bei OM wird mit den Aufforderungen, „endlich loszulassen“ oder „etwas zu akzeptieren und anzunehmen“, gearbeitet. Was das arme verzweifelte Egolein ja nicht leisten kann. Es wird dadurch in noch tiefere Verzweiflung gestürzt. „Sich in Demut hingeben“, „sich fallen lassen“, „einfach aufgeben“ geschieht von selbst, sobald klar ist, dass das Ego ein Konstrukt aus geglaubten Gedanken ist. Diese geglaubten Gedanken darüber, wer ich bin oder sein sollte oder nicht sein darf, überlagern die Wirklichkeit. Und solange das Ichlein weiterhin gefüttert wird mit neuen Glaubenssätzen und Streicheleinheiten, solange es sich bei Mama oder Papa Gott in Gestalt des Gurus geborgen fühlt, wird es nicht loslassen. Loslassen geschieht von allein, wenn die Projektion erkannt wird. Sobald die eigene Bedürftigkeit des Kindes erkannt wird, die das Rad am Laufen hält, verliert dieses an Schwung. Die Heimreise kann beginnen. Und sie mündet in der Feststellung, dass ZUHAUSE niemals verlassen worden ist. Jeder einzelne Schritt auf dem Weg, jeder scheinbare Umweg, der genommen worden ist, war nicht MEIN Schritt. Ich bin nur eine Figur in dem unendlichen „Schachspiel Gottes“. Leela eben. Göttliche Komödie! Auch ein Samarpan, ein OM und jeder andere Guru stehen nicht außerhalb des Spielfelds. Auch sie verkörpern den König, den Turm oder die Dame. Ein jeder erscheint an seinem Platz. Wie sollte die Dame, der Turm, der Springer wissen, warum er in diesem Augenblick bewegt worden ist? Er nimmt es hin. Könnte der Bauer im Spiel denken, würde er einfach seinen Spaß haben am Schachspiel, das man Leben nennt. Was für eine Erleichterung stellt sich ein in dem Moment, wo klar gesehen wird, dass es mich als Person niemals so gegeben hat, wie ich mir das vorgestellt habe. Das ist der Moment, wo Ego demütig sein Haupt beugt und auf die Knie fällt, wo nur noch Staunen und Dankbarkeit übrig bleiben. Immer wieder in jedem Augenblick zutiefst berührt von der Erfahrung, die man Leben nennt. Ich möchte nicht unterschlagen, dass es andere „Gurus“ gegeben hat auf meinem Weg. Sie erschienen gleichzeitig auf der Bildfläche mit OM C. Parkin und Samarpan. Rick Linchitz ist einer davon, er lief mir auf YouTube über den Weg. Sein einziges Buch ist nur noch gebraucht zu erhalten. Tony Parsons ging ohne Umweg über den Denker komplett rein in mein System. Und ich glaube, es war ein Satz von Andreas Müller, der auf komplette Zustimmung stieß. Er lautete in etwa: „Nicht du als Person hast alles anzunehmen, was dir geschieht. Es ist bereits alles angenommen. Nur deshalb kann es überhaupt geschehen.“ „Alles der Geliebte“, wie es bei Tony Parsons heißt. Also auch mein Widerstand, mein Wüten und Toben und meine Verzweiflung. Ich bin so dankbar, dass diese „Gurus“ über das Medium Buch zu mir fanden. Damit endet mein Erlebnisbericht über die bunte Guru-Welt. Bleibt nur noch, einige Buchverweise nachzutragen:
Suzanne Segal – Kollision mit der Unendlichkeit, ein Leben jenseits des persönlichen Selbst
André van der Braak – Liegestütz zur Erleuchtung, Lehrjahre bei einem amerikanischen Guru
Rama Stille – Auf der Suche nach dem Schmetterling / Schmetterlinge überall
Rick Linchitz – Jeder Augenblick ist Gnade
Tony Parsons – Das ist Es / Diese Freiheit
Andreas Müller – Weihnachten hat es nie gegeben / Freiheit
Über Annette Kaiser kann man etwas herausfinden in ihren Büchern und direkt vor Ort in der Schweiz in der Villa Unspunnen.
AUTORIN: Monika Johannsen, 2018
LEKTORAT: LDL (kleine Korrekturen und orthografische Abweichungen vom Original sowie kursive/fette Hervorhebungen)