Endlich: eine gestrige „Erscheinung“ holt eine völlig verrückte Erinnerung ins Gedächtnis zurück, die unbedingt in mein antibiografisches „BUCH AN SICH“ gehört, das all meine paranormalen Erlebnisse im Laufe des Lebens dokumentieren soll! Nach unserer christlichen Zeitrechnung ist es jetzt 2022 und ein sehr sommerlicher Sonntag um die Mittagszeit. Die Luft draußen klingt friedlich, durch das gekippte Fenster dringt sogar ein leichter Wind, auf der Wiese vor meiner Haustür zirpen die Grillen, hin und wieder fahren ein paar Autos vorbei, zwischendurch rauscht eine Bahn über die Brücke, aber insgesamt wirkt es eher still, nicht so betriebsam wie an einem normalen Arbeitstag. Sonntag eben. Als schliefe alles noch. Ich schlürfe meinen zweiten Instantkaffee mit „Reisdrink“ (für Kuhmilch-Allergiker eine bessere Alternative zur Sojamilch, die viel zu viel Meersalz enthält) und versuche, einigermaßen wach genug zu werden, um Literatur zu produzieren. Eigentlich habe ich gar keine Lust, diesen Text mit dem Zeigefinger ins Handy zu tippen, aber wie sagte meine Mutter so oft zu mir: „Man muss auch mal etwas tun, worauf man keine Lust hat!“ Es ist einfach mühsam, Literatur mit Einfingersystem zu fabrizieren und die Hand ist sowieso schon seit einigen Monaten ziemlich verspannt durch den Bürohelferkurs, der mich digital weiterbilden sollte, um auf dem Arbeitsmarkt besser aufgestellt zu sein. Aber da es keine richtige Ausbildung mit Zertifikat war, sondern nur eine Teilnahmebescheinigung davon zeugt, daß ich jetzt klassisch-analoge Verwaltung kann und darüber hinaus auch etwas mehr Word als früher (z.B. SmartArt, Tabellen und andere grafische Layouttricks), Excel (Grundkenntnisse) und Powerpoint (von mir zur Erschaffung von Powerpoint-Poetryclips „PPP“ mißbraucht), erfülle ich viele Anforderungen in Jobprofilen noch immer nicht; denn: die gesamte Lebenserfahrung, erfolgreiche Projekte und künstlerisch-visionäre Begabung zählen im veränderten Digitalzeitalter weit weniger als ein Hochschulabschluss und Agenturerfahrung. Aber egal, ich komme schon wieder wie immer von Hölzchen auf Stöckchen (und könnte dann irgendwann nur noch SCHREIEN) und fokussiere mich daher nun wieder auf die Geschichte, die es heute zu verewigen gilt.
Also: Gestern schlenderte ein etwas älterer, großer, schlacksiger Typ mit weißem fransigen Vollbart und langem schütteren, ergrauten Haar an mir vorbei, der komplett in Rottönen gekleidet war (von Orange über Bordeaux bis ins Aubergine hinein) und mit indischem Schmuck behangen. Ich saß auf einem schattigen Mäuerchen und schleckte am Erdbeereis, sah ihm hinterher und erinnerte mich an ein verrücktes Erlebnis, das mir im Winter zum Anfang des Jahres 1990 in Köln widerfuhr, als ich 22 war. Osho (geb. 11.12.1931), der damals berühmte Guru der Bhagwan-Bewegung, war gerade verstorben (am 19.1.1990), was ich damals allerdings gar nicht mitbekommen hatte, da ich mich in keinerlei spirituellen Kreisen bewegte, außer dienstags in der „Kleinen Bhagi“ tanzen zu gehen, was aber nur meinem Bedürfnis geschuldet war, mich beim Tanzen unbeobachtet und frei zu fühlen anstatt begafft und gemustert, wie es in dem Alter noch heutzutage üblich ist. In dieser Clubatmosphäre der damals von den großen Kirchen als mehr oder weniger gefährliche „Sekte“ eingestuften Bewegung, die für viele nur aus den Schlagzeilen wegen spektakulären Meditationsmethoden wie Arbeits-und Sextherapie bekannt war, spürte ich immerhin eine gewisse undogmatische Selbstverständlichkeit, mit der jeder so sein durfte, wie er war, ob erleuchtet, erwacht oder auch nicht. Authentizität und ein freundlicher, liebevoller Umgangston waren wesentlich wichtiger als der richtige Dresscode, die richtige Frisur und der coole Blick der geschminkten (damals noch nicht gebotoxten) Unnahbarkeit, den viele mit Sex-Appeal verwechseln. Aber zurück zu dem seltsamen Erlebnis, das mir kurz nach Oshos Tod widerfuhr: ich saß wie so oft damals im Cafébereich des Museums Ludwig unterhalb vom Kölner Dom und studierte einige philosophische Bücher, als plötzlich eine extrem fette Pferdefliege mit ihren wunderschönen blau-grün-changierenden Augen- und Flügelfarben direkt vor mir auf dem Tisch landete und mich regungslos anstarrte. Ich beugte mich neugierig und ganz langsam vor zu ihr, um das erstaunliche Aussehen dieses Insekts besser betrachten zu können, völlig ahnungslos, was jetzt passieren würde, und ich betone noch einmal: ich las ganz normale intellektuelle Bücher für mein Diplom-Studium (Pädagogik mit Schwerpunkt Kunsttherapie), nahm keinerlei Drogen, wusste rein gar nichts von Oshos Tod und war auch mit keinem Gedanken beschäftigt, der um Themen wie Erleuchtung oder Parapsychologie kreist. Ich saß dort einfach nur völlig gechillt, ähnlich wie jetzt gerade hier in Düsseldorf Eller Süd (ich bin mittlerweile 54, aber es fühlt sich wie gestern an), und sinnierte über alle möglichen Fragen, als dieser fette Brummer sich ohne Angst ziemlich dreist vor mich setzte. Ich beugte mich also weit vor und wir schauten uns immer tiefer in die Augen, wobei das bei solch einem Insekt etwas seltsam anmutet, da man ja keine Pupille fixieren kann, sondern auf eine schwarz strukturierte Fläche schaut, die eher an eine Maske beim Fechtkampf erinnert, als dieses Vieh plötzlich telepathisch zu mir zu sprechen begann! Klar, jetzt springen schon einige Leser berechtigterweise ab, ich lach mich tot, Esoterik hui buh, es wird paranoid, schizophren oder psychotisch, ich lese selber nicht weiter, da ich der absolute Gegner von magisch-mystischen Spinnereien bin – aber da ich zugleich auch der Schreiberling bin, muss ich wohl notgedrungenerweise mitlesen und hacke mit meinem linken Zeigefinger weiter die Buchstaben ins Mobiltelefon ein: DIE FLIEGE SPRICHT ZU MIR!!! Meine Güte, wie kann das sein? Ich weiß es nicht, aber es war irgendwie witzig und mir machte das keine Angst, sondern ich schaute einfach verwundert zu diesem Tier und signalisierte ihm, ok, ich höre Dir zu. Sag mir, was Du zu sagen hast.
So, an diesem Punkt bitte ich alle Osho-Anhänger wegzuhören, denn jetzt wird es krass ketzerisch! Diese Fliege, ja, diese fette, dunkle Fliege, sitzt da regungslos vor mir, hat keinerlei Angst vor mir, als ich immer näher komme, und sagt dann ganz deutlich wie in einem Traum, wenn jemand in Gedanken zu einem spricht: „ICH BIN OSHO UND DU BIST VÖLLIG OK, SO WIE DU BIST. ALLES LÄUFT PERFEKT, MACH GENAU WEITER SO!“ Das muss man sich erstmal vorstellen, ich meine, das ist der Wahnsinn, hey, mit sowas rechnet doch keiner, es sei denn, man ist auf einem LSD-Trip oder so! Ich war einfach völlig verblüfft, dachte nur, ok, das ist ja sehr schön, hatte auch keinerlei Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussage, und empfand das in dem Moment als absolut selbstverständlich, daß die Fliege überhaupt zu mir sprechen kann. Auch daß sie behauptete, der berühmte Guru Osho zu sein, fand ich weder komisch noch fragwürdig, denn es verlief alles mit einer so selbstverständlichen und nebensächlichen Klarheit, umgeben von der Café-Atmosphäre mit Chillout-Musik und vor dem Fenster vorbeiflanierenden Touristen, daß ich einfach nur „DANKE! OK, MACH ICH!“ erwidern konnte. Ja, ich bedankte mich bei der Fliege, als sei es tatsächlich Osho, der zu mir sprach, und ich freute mich sogar, daß er sich nicht zu schade war, in einem Insekt in geheimer Mission bei einem extrem religionskritischen Typ vorbeizuschauen, der ein Jahr vorher bereits seine eigene Erleuchtungserfahrung gemacht hatte und wahrlich keinen Guru mehr brauchte, um irgendein abgehobenes Ziel zu verehren! Das war eher ein Gefühl, als besuchte mich ein großer Bruder, ein Seelenverwandter, ein Gleichgesonnener, der mir Mut machen wollte, daß wir nicht alleine sind. Nach dem Motto: mach Dir nix draus, daß Dich die oberflächliche Welt weder versteht noch braucht, das ist normal und das muss sogar so sein. Es war auch irgendwie eine Art Lob, weil ich mich nicht selber profilneurotisch als Guru vermarkten wollte, sondern es vorzog, als Künstler mit sogenannten „Lochperhappenings“ aufzutreten (siehe www.LOCHISMUS.de), um den Ball flach zu halten und die Erfahrung des Lochs anderen spielerisch zu vermitteln, anstatt mich als heiligen Lochdiktator aufzublähen, der über ein Geheimwissen verfügen würde. Nein, wenn ich eins hasste (und das noch immer tue!), dann dieses Gurgur der „erwachten“ Sektenführer, die ihre Schäfchen schröpfen und davon gut leben können. Meine Mission war eine andere und ich ahnte das damals schon und da kam eine solche Oshofliegen-Begegnung genau richtig! Danach brummte das Vieh auch bald fort und ich saß wieder alleine an diesem hintersten Tisch in dem schmalen Korridor des Cafés und starrte aus dem Fenster, als sei eigentlich gar nichts passiert.
Aber das Beste kommt jetzt erst, Leute, haltet Euch fest, es wird unheimlich: ich sitze da also weiterhin völlig gechillt, es läuft diese Wellnessmusik, die einem helfen soll, alle Weltprobleme zu vergessen und die Schreie der Verwundeten, Sterbenden, Leidenden und um Gnade Flehenden nicht zu hören, die in der gesamten flimmernden Luft rund um den Planet hängen und mir noch nie möglich waren zu verdrängen, aber ich sitze da, tue so, als sei ich entspannt und ein normaler junger Student, der einfach in Ruhe ein Buch liest und keinerlei Ahnung von irgendwas hätte, aber trotzdem passiert nach etwa einer halben Stunde Folgendes: Ich bemerke aus den Augenwinkeln ganz vorne im großen Raum des Cafés, daß ein Sannyasin (so nennt man die Osho-Anhänger) mit völlig durchgeknalltem stechenden Blick das Café betritt und wie ein aufgescheuchter Spürhund mit einer aufgeregt suchenden Ausstrahlung zwischen den Tischen umherläuft und dann plötzlich die Richtung zu mir einschlägt. Ich schwöre: ich habe versucht, wirklich so unauffällig wie möglich da rumzusitzen und keine Ausstrahlung zu haben, aber der Typ hat irgendwas wahrgenommen, was ihn in meine Richtung treibt, und bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann, ob und wie ich vor ihm flüchten könnte, steht der schon neben mir, kniet sich zu meinem Sessel runter, schaut mich mit entzücktem Gesichtsausdruck an, verneigt sich leicht mit gefalteten Händen zum Gebet oder Gruß, wie es die Buddhisten gern tun, und eröffnet das Gespräch mit den Worten: „ICH SPÜRE SEINE ANWESENHEIT – MEIN MEISTER IST NAHE, GENAU HIER UND JETZT!“ Nicht schon wieder, denke ich nur, und überlege kurz, ob ich ihm verraten sollte, daß er Recht hat, aber nicht weil Osho erst vor wenigen Minuten weggeflogen war (er hätte sich wahrscheinlich total verarscht gefühlt!), sondern weil ich inzwischen kapiert hatte, daß ich selber Osho war, so wie jeder Erwachte niemand anderes als NIEMAND ist, und sich Niemande eben wie stinknormale Brüder ganz nebenbei begegnen, wenn es denn zufällig geschieht. Aber ich entscheide mich instinktiv, meine Klappe zu halten, weiterhin mein dekadentes, harmloses Pokerface zu zeigen und ihm zu signalisieren, daß ich nicht weiß, wovon er da redet, und auch nichts damit zu tun haben will. Und so ist es bis heute geblieben: es gibt keinen einzigen Kerngedanken in dem Gehirn, das sich um den Körper kümmert, der im Spiegel erscheint, der damit zu tun haben wollte. Aber das Schöne ist heute nach über drei Jahrzehnten: Diese Bewusstheit des ichlos Wahrnehmenden hier (ja, ich rede von „mir“ so verschwurbelt, um das idiotische Wort „ich“ grammatikalisch zu umgehen), hat so viele Geschichten im Laufe seines Lebens erfunden, gesehen und mitgespielt – eigene und die von anderen, zwanghafte und zauberhafte -, in die man neuromagnetisch involviert war, daß es immer deutlicher wurde, wie kostbar die durchgeknalltesten analogen „Selbsterfahrungen“ in einer so fürchterlich kranken und kaputten und sehr bald schon durchdigitalisierten Welt sind, daß man ruhig laut darüber berichten kann, ohne als verrückt abgestempelt zu werden. Verrückt sind in echt nämlich ganz im Gegenteil die neurotischen langweiligen Zombies, die als konditionierte Schatten ihrer selbst mit aufgespritzten Lippen, Bizeps, Brüsten, „definierten Pos“ und heulenden Motoren um die Kö jagen und sich Armbanduhren für 300000 Euro kaufen, die ihnen anzeigen, wie ihre Lebenszeit dumpf, zerstörerisch und sinnlos vorbeitickt. Mein Lebensgefühl war schon immer, so ehrlich zu sein wie am letzten Tag. Ich habe nichts zu verlieren, noch nicht einmal „mich selbst“. ES atmen hier Lungen, ES denkt hier ein Gehirn und ES schreibt hier ein Zeigefinger auf, was sonst verloren ginge. Die letzte Giraffe kehrt durch meine Geschichte zwar auch nicht zurück, aber eine Oshofliege ist auch nicht verrückter als eine Giraffe – das Leben IST ein Märchen und wir sind alle Zauberer und Engel!