"Diese Lehre von der Unpersönlichkeit besagt, dass es weder innerhalb noch außerhalb der körperlichen und geistigen Daseinserscheinungen irgend etwas gibt, das man im höchsten Sinne als eine für sich bestehende, unabhängige Ich-Wesenheit oder Persönlichkeit bezeichnen könnte. Es ist dies die Kernlehre des ganzen Buddhismus, ohne deren Verständnis eine wirkliche Kenntnis des Buddhismus schlechterdings unmöglich ist …, mit der das ganze buddhistische Lehrgebäude steht und fällt... Wer die Unpersönlichkeit des ganzen Daseins nicht durchschaut hat und nicht erkennt, dass es in Wirklichkeit lediglich diesen beständig sich verzehrenden Prozess des Entstehens und Vergehens geistiger und körperlicher Daseinsphänomene gibt, aber keine Ich-Wesenheit in oder hinter diesen Daseinserscheinungen, der ist außerstande, die vier Edlen Wahrheiten im richtigen Lichte zu erfassen. Er wird glauben, dass es eine Ichheit, eine Persönlichkeit sei, die das Leiden erfahre ..., eine Persönlichkeit, die ins Nirvâna eingehe; eine Persönlichkeit, die auf dem Achtfachen Pfade der Befreiung wandle."
Nyanatiloka (1878-1957)
Was viele spirituell Suchende nicht wahrhaben wollen ist, dass man so ins Erwachen gezogen oder nachhause geholt wird, wie man in dem Moment, wenn es geschieht, gerade ist. Das hat alles überhaupt nichts damit zu tun, seine "Persönlichkeit" vorher zu verbessern oder irgendwie auf ein spirituell hohes Niveau zu manövrieren. Der unnütze, überflüssige, persönliche "Überschuss" verpufft dann ganz von selbst, ohne dass man etwas dafür oder dagegen tun könnte. Aber man muss leben, mit allem was dazugehört. Enttäuschung, das Ende der Täuschung, ist hier das Schlüsselwort. Die Persönlichkeitsoptimierung geschieht dann ganz von selbst, ganz im Sinne des Selbst. Die damit eventuell einhergehende Desorientierung ist der absolute Lottogewinn, aber die Meisten sind ja eh vorher schon durch eine Identitätskrise gegangen, von daher...
Das "grundlose" Glücklichsein kommt aus der "bodenlosen" Tiefe und beinhaltet auch keine extreme spirituelle Erfahrung, die ständig und allgegenwärtig als intensives Glücksgefühl erfahren werden muss. Denn das gefundene Selbst hängt von nichts ab, auch nicht von einer imaginären Spiritualität, die einen in ein hohes Bewusstsein befördert. Das Konzept Spiritualität stirbt.
Kann sich das Selbst selbst erfassen? Oder nur erfahren? Sind wir in all dem der viel zitierte Beobachter? Schaut das Selbst sich selbst zu, indem es sich durch unser Bewusstsein dabei beobachtet, wie es ist? Wir können der Beobachter sein, aber sind wir das? Oder haben wir die Freiheit, es zu sein? Aber wir müssen es nicht? Das Beobachten: ein schöner Abstand, eine sichere Distanzierung zum alten Verstand, der uns jahrzehntelang mit seinem inkompetenten Geschwafel in unreale Vorstellungen, Gefühle und in den Wahnsinn getrieben hat. Dann wird auch diese Distanz zum alten Sein unwichtig.
Es macht für mich keinen Unterschied, diese Fragen beantwortet zu bekommen oder nicht. Das ist pure Unterhaltung, während ich in dem herumschwebe, was ich bin. Ich kann es nicht erklären, ich staune über diese neue, komplett revolutionierte innere Welt, in der ich zuhause sein darf. Ich bin dankbar. Ich weiß nichts und doch darf ich es erleben, als neuer Mensch. Es ist so erfüllend und zufriedenstellend, Fragen unbeantwortet stehen zu lassen und trotzdem still zu sein. Danke!
AUTOR: Thorsten Johst, 10. April 2018 als Gastbeitrag für die LDL (www.URRUHE.de)
Ich bin verschwunden und trotzdem erfreut sich dieser Zustand an sich selbst.
Und nicht nur das.
Was sonst noch? Das werde ich ja sehen.
Wer Ich?
Ha, es wird gesehen und nicht nur gesehen: erfahren, aber: wer erfährt was?
Ha, es darf gelacht werden, aber: wer lacht? Ich weiß es nicht.
Es wird nichts mehr benannt, nichts mehr beschrieben, weder ich noch es oder was auch immer.
In der Präsenz gibt es die Vereinigung mit dem, was ist, und weiter, immer weiter – weiter nichts.
Das reicht, der Kampf ist vorbei.
Kein Suchen.
Kein Suchender.
Kein Sein.
Kein Gott.
Keine Erleuchtung.
Kein Guru.
Keine Spiritualität.
Keine Verbesserung.
Keine Verschlechterung.
Kein Nirvana.
Ich bin verschwunden und all das gleich mit.
Heute sehe ich den Baum, wie er ist – ich lasse ihn "in Ruhe".
Ich weiß nicht, wie er ist, kann es nicht formulieren.
Heute sehe ich mich so, wie ich bin – ich lasse mich "in Ruhe“.
Ich weiß nicht, wie ich bin, kann es nicht formulieren.
Das reicht – der Kampf ist vorbei...
AUTOR: Thorsten Johst, 18. April 2018 als Gastbeitrag für die LDL (www.URRUHE.de)
LEKTORAT: LDL (kleine Korrekturen und orthografische Abweichungen vom Original sowie kursive/fette Hervorhebungen)