Warum sich im Glaubensbekenntnis "ICH HABE NICHTS ALS DIE GEGENWART" die vier aufeinander aufbauenden Grundlügen sowohl der modernen Spiritualität mit ihrem Erleuchtungs- oder
Erwachensziel als auch der konservativen Psychiatrie mit ihren kassenärztlich anerkannten Gesprächstherapieformen verstecken:
1) Das sogenannte ICH ist eine rein sprachliche Konstruktion, um alle Sinneserfahrungen in einer angeblichen PERSON zu bündeln, um INDIVIDUALITÄT vorzutäuschen;
2) Der Habensmodus benötigt die Ich-Konstruktion als Gedächtnis, in dem man Erfahrungen festhält, während die tatsächliche Wirklichkeit kein Festhalten ermöglicht sondern nur
Fließen erlaubt;
3) Aus der doppelten Enttäuschung über die letztliche Unauffindbarkeit eines wahren Ich in der Welt (genannt Selbst oder Seele) und dem andauernden Loslassen-Müssen von
sämtlichen Erinnerungen, um der dahin fließenden Wirklichkeit frei und motiviert zu begegnen, entsteht die metaphysische Hoffnung auf eine transzendente Instanz: das NICHTS (oder auch Leere,
Nirwana, Gott, Paradies), in dem dann das ICH endlich "sich selbst" HÄTTE. Die dabei erfundene Spaltung in Diesseits und Jenseits der körperlich-sinnlichen Bewusstseinserfahrungen des lebendigen,
fühlenden, wahrnehmenden Wesens erzeugt eine Urschizophrenie, die wesentlich existenzieller und gesellschaftlich legitimierter ist als jede normale Psychose! Der Mensch konstruiert dadurch nicht
nur ein personales Ich, sondern verlagert dessen Authentizität in eine niemals erreichbare virtuelle Ebene. Um diesen schmerzhaften Sinnverlust zu kompensieren, erfindet der spirituelle Sucher
genau so wie der scheinbar progressive Psychologe das letzte Heiligtum des vierfachen Irrtums:
4) Die GEGENWART wird zu einem greifbaren, besonderen, meditativ erhabenen Augenblick überhöht, der dem verlorenen, abwesenden, weltabgewandten, transzendentalen Ich eine
Rückkehr ins JETZT zwischen Gestern und Morgen, Gerade und Gleich, Verlustschmerz und neuer Hoffnung, Ausatmen und Einatmen ermöglichen soll. Hier möchte das ICH endlich zur Ruhe kommen und sich
selber gefunden HABEN. Aber weder das Ich noch das Haben noch das Nichts noch die Gegenwart sind reale Objekte, die besessen werden können. Der Wunsch nach Besitz
entpuppt sich beim Ankommen im tatsächlichen Seinsfluss als billige Besessenheit von Glaubensgesetzen der spirituell wie psychologisch verzweifelten Mentalität des gespaltenen, von sich selbst
entfremdeten Bewusstseins, das sich irgendwann angefangen hat darüber zu wundern, DASS ES ÜBERHAUPT DA IST, und diesen Schock der primärmystischen Selbsterkenntnis vor seinen Eltern und Lehrern
verheimlichen musste, weil Lehrbücher und Alltagszwänge das Einssein des Bewusstseins verhindern: die Gesellschaft verlangt die personenzentrierte Selbstdarstellung als Ich mitsamt dem
persönlichen (geistigen wie materiellen) Besitz, der das Individuum definiert, um die kollektive Kommunikation zu kontrollieren. Als Schadensersatz schenkt sie dem Geschockten einen überhöhten
Begriff von sinnstiftender Gegenwart als anzustrebendes Urlaubsziel. Erst wenn der Mensch sich irgendwann totgearbeitet und totmeditiert hat, erkennt er seine vier Selbstlügen und ist
bereit für DAS SPIRITUELLE BURNOUT des Ichs, das er dann nicht mehr hat und nicht mehr ist! Die subtile permanente Depression war nur der letzte Besitz einer erfundenen Person,
bevor es diese Person selber nicht mehr gibt. Der Psychologe würde an diesem Punkt des Prozesses gerne behaupten, dass "jemand" komplett vom religiösen Wahn assimiliert sei, während der Guru vom
erleuchteten Nirwana des Aufgewachten spricht, aber beide versuchen den Zustand durch die Brille der vier Lügen zu definieren, die hier nicht mehr greifen: die vier Glaubensgesetze
gelten nur für jene, die noch als Ich-Personen etwas haben wollen. Wer das gesamte System überwunden hat, ist kein WER mehr, das irgendwas HAT. Der Seinsfluss fließt einfach dahin
und nimmt sich durch alle Sinne bewusst seiend wahr. Kein NirWAHNa nirgends!
Autor: Tom de Toys, 2017 - Erstveröffentlichung hier
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