"Erleuchtung bedeutet nicht vorgezogenen Alzheimer. Im Satsang stellt sich dieses Gefühl vollkommener Präsenz ein, in der nichts mehr nötig ist. Wir erkennen uns als reines Bewusstsein.
Erleuchtung ist dem Ich nicht möglich. Erwachen ist die Erkenntnis, dass es kein Ich gibt. Genau deshalb gibt es auch niemanden, der erwachen kann. In dem Moment, wo er erwacht, merkt er, dass es
ihn gar nicht gegeben hat. Deshalb gibt es auch keinen Erleuchteten."
Dietmar Bittrich & Christian Salvesen, DIE ERLEUCHTETEN KOMMEN (2002)
Schüler: "Ich habe mich von allem gelöst. Die Welt ist jetzt hohl und leer für mich. Aber ich nehme keine Erleuchtung wahr. Eher im Gegenteil: Ich empfinde den
Schmerz meines Körpers und seine organischen Zwänge bewusster zur Kenntnis als zuvor. Auch die alltäglichen Probleme erscheinen mir noch
nervtötender, seit ich mich nicht mehr mit ihnen identifiziere. Was mache ich falsch oder was fehlt noch am Ende dieses Prozesses, das ich
mir mühsam und mit viel Geduld erarbeitet hatte?"
Lehrer: "Wer hat sich gelöst und wer nimmt jetzt wahr?"
Schüler: "Mein neues Ich, das sich seit Jahren über alles definiert hatte, was für meine Sinne irgendwie greifbar war. Ich bin nicht mehr eins mit diesem kleinen Ich, sondern
sehe es von einer anderen Ebene, in der ich mich unendlich und frei fühle. Das kleine Ich war eine Anhäufung von weltlichen Dingen wie Emotionen und Gedanken über sich selbst. Da ist jetzt kein
Selbstbewusstsein mehr, es herrscht Stille und Frieden in diesem heiligen Innenraum. Aber die Welt katapultiert mich andauernd aus dieser
Meditation, indem sie mich zum Handeln zwingt."
Lehrer: "Wo ist dieser Innenraum?"
Schüler: "Es ist ein Bereich irgendwo jenseits der Welt. Ich empfinde ihn nur als eine Art purer Energie, wie ein materieloses
Nichts, das durch alles hindurch strömt und doch gänzlich unberührt von allem bleibt. Wie ein göttlicher Schutzraum."
Lehrer: "Wer muss sich denn vor der Welt schützen und woher kommt dieses Nichts?"
Schüler: "Ich wollte bedürfnisfrei werden. In diesem Nichts sind die Bedürfnisse endlich überwunden. Es ist etwas
Ewiges, es wurde nicht erschaffen. Es war bereits vor der Welt da. Schon vor dem Urknall."
Lehrer: "Wer weiss das?"
Schüler: "Mein Ich ist randvoll von dieser Erkenntnis. Ich bin nur noch das Nichts. Eine ewige Leere. Als wäre ich selber das grenzenlose Ganze, in dem die Welt eingebettet
scheint. Aber ich kann es einfach nicht als Erleuchtung empfinden. Es fehlt dieses Glücksgefühl und das Wissen, das Ziel endlich erreicht zu
haben. Mein Ich hat die Wohnung gewechselt und lebt nun in einer unsichtbaren Dimension, die einem Tempel ohne Wände gleicht. Aber es ist immer noch dieses Ichgefühl anstatt diese
totale Freiheit, von der alle Meister berichten."
Lehrer: "Kannst Du Dich von diesem Tempel ebenso lösen, wie Du es von der Welt getan hast? Wer bleibt dann noch übrig? Wo ist Dein Ich, wenn Du Dich sogar von diesem Nichts
löst?"
Schüler: "Ich kann mich nicht weiter auflösen. Dann würde ich gänzlich verschwinden. Das wäre wie Sterben."
Lehrer: "Das ist die eigentliche und letzte Erleuchtung, die Deinem Ich noch bevorsteht: sich selbst derart aufzulösen, daß weder die Welt noch das
Nichts mehr vorhanden sind. Dann sehen Deine Augen ALLES, ohne daß jemand schaut."
Schüler: "Wie kann ich sterben?"
Lehrer: "Du kannst nichts tun, um zu sterben. Dein sogenanntes Ich bildet sich leider nur ein, da zu sein. Erst wenn diese Einbildung verschwindet, ERWACHT Dein Bewusstsein.
Dann sehen Deine Augen, Deine Gedanken denken und Deine Gefühle fühlen. Die Welt wird vor Deiner Wahrnehmung erstrahlen und Du wirst die Welt SEIN. Weil sich das angebliche Nichts
aufgelöst hat und diese Welt ohne heiligen Hintergrund da bleibt. Es wird niemanden mehr geben, der sich mit dieser Welt oder dem Nichts
identifiziert. Niemand, der sich für erleuchtet oder erwacht hält."
Schüler: "Aber WER ist das denn, der mir das durch Deinen Mund erzählt, wenn es das Ich doch gar nicht gibt?"
Lehrer: "Ich bin nur dieser Mund, der nacherzählt, was in Deinen eigenen Augen zu lesen ist: die ganze Welt."